Daniel Jahn

100-jähriges Jubiläum des Blues

publiziert: Freitag, 3. Okt 2003 / 11:04 Uhr

Washington - An einem Abend des Jahres 1903 döste der Musiklehrer W.C. Handy auf einem Bahnsteig im Mississippi-Delta vor sich hin, als er plötzlich fremde Klänge hörte. Dieser Abend wird seither als Geburtsstunde des "Blues" gefeiert.

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Neben ihm sang ein Schwarzer im klagenden Ton und fuhr dazu mit einem Messer über die Gitarrensaiten. Es war "die verrückteste Musik, die ich je gehört hatte", meinte Handy später.

Die Begegnung am Bahnhof von Tutwiler gilt als die offizielle Geburtsstunde des Blues - denn Handy begann, die faszinierenden Töne in Partituren zu übertragen und eigene Bluessongs zu komponieren.

In diesem Jahr feiern die USA das 100-jährige Jubiläum einer Musik, die vom bitteren Los der Schwarzen inspiriert wurde und anderen Richtungen wie Jazz, Rock, R&B und Rap den Weg bahnte.

"Jahr des Blues"

Auch wenn der Blues nicht erst mit W.C. Handy begann - viele Musiker, Manager und Fans hoffen, dass der 100-Jahr-Rummel dem zunehmend ins Abseits geratenen Genre zu einem Revival verhilft.

Die Politik hilft kräftig mit: Der US-Senat erklärte 2003 zum "Jahr des Blues" und würdigte den Blues als "nationalen historischen Schatz".

Das Jubiläum wird mit Konzerten, Sondersendungen in Radio und Fernsehen, Buch und CD-Veröffentlichungen begangen und erreicht in dieser Woche mit einer aufwändigen Dokumentarserie im öffentlichen Sender PBS einen Höhepunkt.

Sieben namhafte Regisseure von Martin Scorsese über Clint Eastwood bis Wim Wenders versuchen, in Beiträgen von Spielfilmlänge dem Blues auf den Grund zu gehen und ihre eigene Faszination für den Blues zu übermitteln.

Schwermut und Trauer

In den Filmen sind verschiedenste Erklärungen zu hören, was eigentlich den Blues ausmacht. Der legendäre Delta-Blues-Musiker Son House (1902-1988) sagt mit knarzender Stimme, es gebe "nur eine Art von Blues, und der besteht zwischen Mann und Frau, die verliebt sind".

Und der Songwriter Willie Dixon (1915-1992) meint: "Der Blues ist die Wahrheit, und wenn er nicht die Wahrheit ist, dann ist er nicht der Blues." Es sind vor allem schmerzhafte Wahrheiten, von denen diese Musik erzählt. Schon der Name sagt es: Denn "blue" bezeichnet einen Zustand der Schwermut und Trauer, der die ganze Seele einhüllt.

Diese Klagemusik entstand aus der Vermischung afrikanischer und europäischer Traditionen in den Sklavengebieten der US-Südstaaten. Auf den Baumwollfeldern entwickelten sich Formen des "call and response", in denen der Vorarbeiter einen Satz rief oder sang und die Arbeiter ihm zusammen antworteten.

Dabei wurden oft verschlüsselte Botschaften ausgetauscht, in denen die Sklaven ihr Los beklagten. Später wurden daraus Songs für einzelne Sänger, die sich selbst mit der Gitarre antworteten. Nachdem W. C. Handy 1912 seinen legendären "Memphis Blues" aufgenommen hatte, gewann das Genre rasch an Popularität.

Die "Rolling Stones"

Mit der grossen Wirtschaftskrise der 30er Jahre breitete sich der Blues weiter aus. Auf der Suche nach Arbeit zogen damals viele Schwarze in die Städte des Nordens und mit ihnen der Blues.

In Chicago, Detroit und anderen Metropolen spielten Muddy Waters, John Lee Hooker, Howlin' Wolf und andere weiter den Delta-Blues, der aber durch elektrische Gitarre, Bass, Schlagzeug und Klavier erweitert und modernisiert wurde.

Im Norden gewann der Blues allerdings bemerkenswerterweise vor allem ein weisses Publikum, während er von den meisten Schwarzen als rückständig abgelehnt wurde.

Den Durchbruch in die weltweite Popkultur schaffte der Blues dann in den 60er Jahren, nachdem er von weissen Musikern aus den USA und England wie Eric Clapton, John Mayall, den Rolling Stones, Led Zeppelin und Canned Heat entdeckt und adaptiert wurde.

Nur noch Nischenmusik

Seither erlebte der Blues einige Comebacks, etwa durch die Erfolge des texanischen Gitarristen Stevie Ray Vaughan in den 80er Jahren oder der Zusammenarbeit der Veteranen Clapton und B.B. King auf dem Album "Riding With The King" von 2001.

Und dennoch ist der Blues heute nur noch eine Nischenmusik - der Marktanteil in den USA liegt unter einem Prozent. Vielleicht trägt das Jubiläumsjahr dazu bei, dem Blues zu einem Revival zu verhelfen.

(bsk/afp)

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