Stop Geiz

publiziert: Freitag, 2. Dez 2005 / 10:31 Uhr / aktualisiert: Freitag, 2. Dez 2005 / 11:05 Uhr

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Wer in den 90ern in der Schweiz sexuell aktiv war, erinnert sich garantiert noch an die all-gegenwärtige STOP-AIDS-Kampagne. Man konnte praktisch kein Medium – Kino, Zeitschriften, Fernsehen – konsumieren, ohne mit den Anti-Aids-Slogans konfrontiert zu werden. Manche wurden geradezu Kult, (was lachten wir über das Berndeutsche 'röüwäwä-röüwäwä-röüwäwä'), andere schafften es zum allgegenwärtigen Schlagwort (ohne Dings kein Bums).

Man konnte davon halten was man wollte. Die Wirkung war jedenfalls da. Jeder wusste, dass Gummis vor dem Virus schützten und wer nicht enthaltsam Leben wollte, war sich bewusst, dass 'nackter' Verkehr zumindest ein Risiko darstellte. Auch die Zahlen sprachen dafür. Die offensive Strategie der Schweizer Behörden führte zu einer der geringsten Ansteckungsraten in Europa; ein Erfolg, der Leben rettete, Leid vermied und auch viel Geld sparte.

Der sparwütige Bund scheint dies allerdings vergessen zu haben, als er damit begann, die Vorsorgeprogramme zusammen zu streichen. Denn heute beträgt das Budget gerade noch mal 10 Millionen Franken, dass dem BAG zur Verfügung steht. 1993 waren es noch 16 Millionen gewesen. Inflationsbereinigt wäre dies noch einiges mehr in heutigen Franken...

Doch in dem Moment, als zum ersten mal eine antivirale Therapie auf den Markt kam, AIDS plötzlich nicht mehr unmittelbar tödlich schien, war auf einmal die Luft draussen. 'Ach, AIDS lässt sich ja behandeln, was soll man sich da noch gross drum kümmern?' Es sank sowohl in den Risikogruppen als auch bei denen, die für die Finanzierung der Kampagnen zuständig sind, das Bewusstsein, dass der HIV-Virus keineswegs geschlagen ist.

Denn die HIV-Infektion ist nicht heilbar. Von ein paar wenigen Einzelfällen unter Millionen Infizierter abgesehen, ist noch niemand den Virus losgeworden. Dazu mutiert HIV weiter und es werden laufend neue Resistenzen zu bisher wirksamen Medikamenten festgestellt. Der Killer schien für kurze Zeit unter Kontrolle zu sein, doch die Spezialisten wussten, dass dies nur ein Moment der Schonung sein würde, keineswegs ein Grund zum Zurücklehnen.

Doch genau dies passierte. AIDS und HIV waren kein Thema mehr, News von gestern. Genau das, was der Virus braucht, um wieder in Schwung zu kommen. Um zu realisieren, was für ein Killer AIDS sein kann, braucht man nur nach Afrika zu blicken, wo schon ganze Landstriche von der Krankheit entvölkert, ganze Generationen zu Waisen gemacht wurden.

Der grosse Unterschied ist dabei die Aufklärung der Bevölkerung. Gegen eine Infektion wie AIDS hilft nur das Wissen über die Infektionswege, die Risiken und die Möglichkeiten, diese zu minimieren oder auszuschliessen.

Dieses Wissen hat seit den 90ern nicht nur Tausenden in der Schweiz die Gesundheit und womöglich das Leben gerettet und so unsägliches Leid verhindert. Es hat auch Millionen an wirtschaftlicher Leistung so vor Vernichtung bewahrt, hat Arbeit und Steuern generiert und ebenso viele Millionen an Pflege- und Behandlungskosten verhindert. Vermutlich ist die Stop-AIDS-Kampagne des Bundes eine der besten Investitionen, die der Bund je machte.

Trotzdem wird jetzt geknausert, gespart und gekürzt. 'Schwulenkrankheit', 'amoralisch', 'selber schuld'... sind da die Dinge, die heimlich gemurmelt werden, während offiziell, der 'Zwang, überall zu Sparen' angeführt wird. Doch sollte dank dieser Knauserei eine neue Generation aufwachsen, die glaubt, AIDS ginge sie eh nichts an, da das sowieso alles nur Schwule seien und 'ich mich sicher nicht anstecke, denn ich passe auf', dann kommt gleich eine mehrfache Rechnung auf uns zu.

Zum einen die menschliche in Form von HIV-Angesteckten, die dank neuer Virenstämme vielleicht nicht einmal behandelt werden können und grausam sterben werden. Und wirtschaftlich in Form von Gesundheits- und Pflegekosten, Arbeits-, Einkommens- und Steuerausfällen.

Deshalb, lieber Bund: Stop Geiz – es lohnt sich nicht!

(Patrik Etschmayer/news.ch)

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