Ihre Quittung, Herr Berlusconi

publiziert: Mittwoch, 29. Mrz 2006 / 08:06 Uhr / aktualisiert: Dienstag, 11. Apr 2006 / 09:09 Uhr

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Lieber Herr Berlusconi, wo stehen wir heute in Italien? Vor fünf Jahren haben Sie bei Bruno Vespa im italienischen Fernsehen den «Vertrag mit den Italienern» unterzeichnet. Ein medial wirksames Papier voller Versprechungen, ein Fetzen in der Realität. Sie versprachen dem Land Liberalismus à la Margaret Thatcher oder Ronald Reagan, stattdessen reguliert der schwere Apparat immer noch zu viel. Gerade Sie, Cavaliere, Sie sind doch ein Unternehmer. Ein Mailänder der alten Schule. Ein Self-Made-Man!

Können Sie mir erklären, wieso die Exportquote unter Ihrer Ägide von 4 Prozent auf unter 3 Prozent des Welthandels fiel? Dementsprechend nahmen auch die Schulden zu. Von der Neuverschuldung ganz zu schweigen. Das Land steht still. Ihre Haare wachsen schneller, Herr Berlusconi. Seltsames Phänomen. Vor den Wahlen am 9. und 10. April wollen Sie noch die neusten Trimesterzahlen per Ende 2005 bekannt geben. Um wie viel haben Sie diesmal die Limite des EU-Stabilitätspakts überschritten?

Natürlich wird es wieder aufwärts gehen, wenn Sie gewählt werden. Und natürlich sind die Linken daran schuld, dass es dem Land so miserabel geht. Schliesslich haben Sie alles Schlechte von der vorherigen Mitte-Links-Regierung geerbt. Dann kam sogleich der 11. September, die Weltwirtschaftskrise. Der teure Euro. Irak. Alles unvorhersehbare Phänomene, gewiss. Aber wieso schafften es andere EU-Länder, nicht in eine derartige Krise zu geraten? Sie werden jetzt einwenden, die Arbeitslosenquote in Italien sei von 9,1 Prozent auf 7,7 Prozent gesunken. Stimmt. Leider wurden aber nicht Arbeitslose beschäftigt, sondern um die 650'000 ausländische Schwarzarbeiter legalisiert, die bereits seit Jahren in Italien illegal arbeiten. So einfach ist das.

Wir kennen Ihre Argumente, Herr Berlusconi. Der Steuerdruck sei gesunken, sagen Sie. Nur spürt das in Italien niemand. Vielleicht haben Sie ja nur Ihren Freunden geholfen. So wie mit den Gesetzen. Erinnern Sie sich noch? Ihr Kompagnon Cesare Previti profitierte von Ihrer dubiosen Justizreform. Sie selber natürlich auch. Etliche Finanzdelikte werden nicht mehr streng sanktioniert. Und das nach den Zusammenbrüchen von Cirio und Parmalat. Die Mafia wird es Ihnen übrigens auch danken. Haben Sie noch Kontakt mit der Familie «Porta Nuova» um den Boss Pippo Calò? Oder wickelt diese Geschäfte nach wie vor Ihre rechte Hand, Marcello Dell'Utri, ab, der wegen Verbindungen zur Mafia in erster Instanz zu neun Jahren Haft verurteilt wurde? Dreisterweise sitzt der Mann ja immer noch im Senat, und hat die Kandidatenliste von Forza Italia zusammengestellt.

Am 3. April werden Sie wieder im Fernsehen (ihre Domäne!) ihrem Kontrahenten Romano Prodi gegenübersitzen und sich wohl aufregen, dass man in 2 Minuten und 30 Sekunden keinen Gedanken formulieren kann. Sie werden sich wieder nicht an die Regeln halten können. Aber bitte nicht wieder aufstehen und gehen wie bei der «Kommunistin» Lucia Annunziata. Das gehört sich nicht. Ein Mann von Welt wie Sie muss sich doch den heiklen Fragen stellen können. Es ist nur zu hoffen, dass nicht der Moderator Bruno Vespa selber die Regeln bricht. Er, der Ihnen gegenüber so wohlwollend eingestellt ist, um es mal vorsichtig auszudrücken.

Sie haben sich selber mit Napoleon Bonaparte und Jesus Christus verglichen, Herr Berlusconi. Wenn Sie die Fähigkeiten dieser beiden Männer vereinen, werden sie die Wahlen gewinnen, ansonsten nicht. Sie können noch so energisch Ihre Regierung in ein positives Licht rücken, das Volk lässt sich nicht länger belügen. Sie haben Ihre zweite Chance verspielt, eine dritte wird Ihnen nicht gewährt. Ob es Prodi besser machen wird als Sie, wissen wir zu diesem Zeitpunkt nicht. Sicher ist, dass es mit Prodi an der Spitze Italiens nicht mehr so lustig wie mit Ihnen sein wird. Keine dummen Sprüche mehr über Kommunisten, die Babys zu Dünger für ihre Felder verkochen. Keine Playboy-Witze mehr. Italien und der Rest der Welt haben genug gelacht.

(von Maurizio Minetti/news.ch)

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