'Zu kluger' Häftling wird hingerichtet

publiziert: Montag, 8. Aug 2005 / 08:57 Uhr

Washington - Im Jahr 2002 schrieb der zum Tode verurteilte Daryl Atkins Justizgeschichte. Wegen seines Falls entschied das höchste Gericht der USA, dass die Hinrichtung geistig Behinderter verfassungswidrig und damit verboten sei.

Tragisch: Der Häftling trainierte in der Todeszelle seinen IQ zu stark - Hinrichtung.
Tragisch: Der Häftling trainierte in der Todeszelle seinen IQ zu stark - Hinrichtung.
1 Meldung im Zusammenhang
Drei Jahre später steht ausgerechnet jenem Häftling, der indirekt Dutzenden anderen Todeskandidaten das Leben rettete, die Exekution bevor. Eine ausschliesslich weisse Jury in Yorktown im US-Staat Virginia entschied jetzt, dass der Schwarze Atkins zu "klug" ist, um selbst verschont zu bleiben.

Nach 13 Stunden Beratung fällten Geschworenen am Freitag ihr Urteil "nicht geistig behindert". Der zuständige Richter setzte unverzüglich den 2. Dezember als Hinrichtungsdatum fest. Dann soll der heute 27-Jährige die tödliche Giftspritze erhalten.

Die Grenze von IQ 70 überschritten

Der Fall des jungen Mannes hatte weltweit Aufsehen erregt. Denn wie Tests ergaben, war Atkins in den Jahren seiner Haft zunehmend "gebildeter" geworden - sein Intelligenzquotient lag zunächst bei 59, was nach Erläuterung von Experten dem Geisteszustand eines neun- bis zwölfjährigen Kindes entspricht, dann bei 67, 74 und 76. In Virginia liegt wie in vielen anderen US-Bundesstaaten mit der Todesstrafe die Grenze für geistige Behinderung nach gesetzlicher Definition bei einem IQ von 70. Ausserdem muss es an fundamentalen sozialen und praktischen Kapazitäten fehlen.

Während der Haft klüger geworden

Die Verteidigung erklärte die verbesserten IQ-Ergebnisse zum einen damit, dass Atkins mittlerweile so häufig getestet worden sei, dass er sich eine Art Routine erworben habe. Ausserdem habe er sich in der sicheren strukturierten Gefängnisumwelt Fähigkeiten wie Lesen und Schreiben - wenn auch auf dem Stand eines Fünftklässlers - angeeignet, die ihm zum Zeitpunkt der Tat gefehlt hätten.

Auch sei er durch den ständigen Umgang mit seinen Verteidigern Atkins intellektuell stimuliert worden wie nie zuvor in seinem Leben: Atkins habe sich sogar einige juristische Fachbegriffe angeeignet.

Auch Richard Dieter vom Todesstrafen-Informationszentrum in Washington hält es für gut möglich, dass sich Atkins während der Haft weiterentwickelte - und dafür nun mit seinem Leben bezahlen muss, wenn ein Berufungsantrag seiner Verteidiger erfolglos bleibt, wovon Experten ausgehen. "Das ist wirklich ein besonders tragischer Fall", sagt Dieter.

Mord als 18-Jähriger

Atkins war 18 Jahre alt, als er zusammen mit einem Komplizen im Staat Virginia einen Mann entführte, ihn dazu zwang, Geld von einem Bankkonto abzuheben und ihn dann erschoss. Der Mord brachte ihm die Todesstrafe ein. Ein Verfahrensfehler führte zu einem neuen Prozess, der mit dem gleichen Ergebnis endete.

Dann ergab ein IQ-Test den Wert 59, und die Verteidigung focht das Todesurteil mit der Begründung an, dass Atkins geistig behindert sei. Der Fall landete vor dem Obersten Gericht, das grundsätzlich die Hinrichtung geistig Behinderter verbot, aber nicht darüber befand, ob Atkins selbst in diese Kategorie gehört.

In dem nun zu Ende gegangenen Verfahren in Virginia ging es einzig darum, ob das schon vor Jahren gefällte Todesurteil vollstreckt wird oder nicht. Am Ende befand die Jury: Klug genug zum Sterben.

(Gabriele Chwallek/dpa)

Lesen Sie hier mehr zum Thema
Miami - Nach einer schweren Panne bei einer Hinrichtung hat der Gouverneur des US-Bundesstaats Florida, Jeb Bush, die ... mehr lesen
Die Hinrichtung des Häftling Angel Nieves Diaz dauerte 34 anstatt nur wenige Minuten.
 
Stellenmarkt.ch
Kreditrechner
Wunschkredit in CHF
wetter.ch
Heute So Mo
Zürich 4°C 20°C freundlichleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wechselnd bewölkt wechselnd bewölkt
Basel 6°C 21°C freundlichleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig bedeckt, wenig Regen wolkig, aber kaum Regen
St. Gallen 3°C 18°C recht sonnigleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wechselnd bewölkt wechselnd bewölkt
Bern 3°C 19°C wechselnd bewölktleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig bedeckt, wenig Regen wechselnd bewölkt
Luzern 5°C 19°C freundlichleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wechselnd bewölkt wechselnd bewölkt
Genf 6°C 18°C wechselnd bewölktleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig anhaltender Regen bedeckt, wenig Regen
Lugano 8°C 13°C trüb und nassleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig anhaltender Regen wolkig, aber kaum Regen
mehr Wetter von über 8 Millionen Orten