'Schreiben Sie rein: Fischer ist schuld'

publiziert: Dienstag, 26. Apr 2005 / 08:46 Uhr

Berlin - Für den Polit-Profi Joschka Fischer war es einer der schwierigsten Auftritte in seiner politischen Karriere. Stunde um Stunde kämpfte Deutschlands Aussenminister am Montag, um Schaden für sich und für Rot-Grün durch die Visa-Affäre wieder gutzumachen.

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Der grüne Minister hatte sich für eine Vorwärts-Verteidigung entschieden. Als Zeuge war er vor den Untersuchungsausschuss des Bundestages geladen, der die Missstände bei der Visa-Vergabe an deutschen Botschaften in Ost- und Mitteleuropa aufklären soll. Dass er für die Opposition der Angeklagt war, wusste Fischer aber genau.

Von der ersten Minute an war er deshalb bestrebt, vor allem der Union den Wind aus den Segeln zu nehmen. Immer wieder berief er sich auf "Kontinuität" bei den Visa-Regeln trotz des Machtwechsels 1998 zu Rot-Grün.

Immer wieder zitierte er Unions-Politiker wie den hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch, der beispielsweise aus wirtschaftlichen Gründen besonderes Interesse an einer problemlosen Einreise für Touristen aus China vorgebracht hatte.

Skandal ohne Grundlage

Der Aussenminister war sich aber sicher, dass ihm dies zumindest bei der Union nichts nützt. "Schreiben Sie rein: Fischer ist schuld", empfahl er dem Ausschuss-Vorsitzenden, Hans-Peter Uhl von der CSU. In Fischers Augen lautete die Taktik der Opposition: "Ist es mein Parteifreund, ist es recht. Ist es der politische Gegner, hauen wir drauf."

Überhaupt habe die CDU/CSU die Visa-Missbräuche der vergangenen Jahre zu einem Skandal gemacht, ohne dass es dafür irgendeinen Beleg gebe. Die von der Opposition vorgebrachte Zunahme der Zahl von Asylbewerbern, Schwarzarbeitern oder Zwangsprostituierten werde durch keine Statistik belegt.

"Müssen Sie mich deswegen zum Zuhälter erklären?" hielt Fischer den Unions-Abgeordneten vor. Und: "Wissen Sie, was Sie in der Ukraine angerichtet haben?"

Angriff als Verteidigung

An einer liberalen Einreise-Politik führt nach Ansicht des Grünen-Ministers ohnehin kein Weg vorbei, auch wenn künftig Probleme wie die der Vergangenheit schneller erkannt werden sollen. "Unser Land lebt von Weltoffenheit und Freiheit." Er stehe deshalb dazu, dass er im März 2000 eine liberalere Praxis bei der Visa-Vergabe eingeführt hat.

Über eine solche stärkere Öffnung der Grenzen berate derzeit auch die Europäische Union. "Das wird uns einiges abverlangen." Die Verbesserung der Reise-Möglichkeiten habe die orange Revolution in der Ukraine möglich gemacht. "Wenn wir die Probleme lösen wollen, müssen die Menschen reisen."

Reuiger Sünder

Fischer zeigt sich aber auch von Anfang an als reuiger Sünder. Er räumte Fehler und Versäumnisse ein: Er hätte früher die Probleme erkennen und dann schneller handeln müssen.

Natürlich hätte er lieber vermieden, dass die Opposition eine solche Chance für Angriffe gegen ihn bekomme, sagte er. So viel Professionalität könne ihm zugetraut werden, "dass ich diese Steil-Vorlage gerne verhindert hätte".

Als Fischer am Nachmittag nach den ersten viereinhalb Stunden um 60 Minuten Pause bat, stand für beide Lager die Bilanz eigentlich schon fest. Nach Ansicht der Opposition hat sich gezeigt, dass der Aussenminister "sein Haus offensichtlich nicht in Griff hat". Für Rot-Grün war klar, "dass wir 2006 mit (Bundeskanzler Gerhard) Schröder und Fischer in einen erfolgreichen Wahlkampf gehen".

(Norbert Hoyer/dpa)

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Alle Augen sind heute auf Joschka Fischer gerichtet.
 
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