Auflösung des Bundestags nur bei 'aussergewöhnlicher Lage'

publiziert: Montag, 23. Mai 2005 / 14:51 Uhr / aktualisiert: Montag, 23. Mai 2005 / 15:41 Uhr

Berlin - Deutschlands Verfassung kennt nur einen Weg zur vorzeitigen Auflösung des Bundestages und zu vorgezogenen Neuwahlen: Der Bundeskanzler stellt im Parlament die Vertrauensfrage und bekommt keine Mehrheit.

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Dann kann der Bundespräsident den Bundestag auflösen.

In der Geschichte der Bundesrepublik wurde dies erst zwei Mal praktiziert: 1972 unter SPD-Bundeskanzler Willy Brandt und 1982/83 unter dem kurz zuvor mit FDP-Hilfe gewählten CDU-Kanzler Helmut Kohl.

Im Streit um die Ost-Politik versuchte die CDU/CSU im Jahr 1972, Brandt durch ein konstruktives Misstrauensvotum zu stürzen: CDU- Fraktionschef Rainer Barzel sollte neuer Kanzler werden. Doch trotz SPD-Überläufern fehlten der Union bei der Abstimmung zwei Stimmen.

Im Bundestags war allerdings ein Patt eingetreten. Brandt stellte die Vertrauensfrage und bekam keine Mehrheit. Der Bundespräsident löste das Parlament auf. Die Neuwahl stärkte die SPD/FDP-Koalition. Zehn Jahre später, 1982, stellte SPD-Bundeskanzler Helmut Schmidt die Vertrauensfrage, um die Querelen innerhalb seiner SPD/FDP- Koalition zu beenden. Er verlor diese Abstimmung, kündigte die Koalition und regierte mit einer SPD-Minderheitsregierung weiter.

Geplantes Scheitern

CDU/CSU und FDP verständigten sich auf eine gemeinsame Koalition. Am 1. Oktober beantragten sie ein "konstruktives Misstrauens-Votum" zur Abwahl Schmidts. Kohl gewann die Abstimmung und wurde Kanzler. Um politisch voll legitimiert zu sein, strebte er die vorzeitige Auflösung des Bundestages und eine baldige Neuwahl des Parlaments an.

Dazu musste er bei einer Vertrauensfrage-Abstimmung scheitern. Am 17. Dezember 1982 führte Kohl bewusst eine Niederlage bei der Vertrauenfrage herbei, obwohl er eine Bundestags-Mehrheit hatte. Erneut wurde Artikel 68 des Grundgesetzes herangezogen:
"Findet ein Antrag des Bundeskanzlers, ihm das Vertrauen auszusprechen, nicht die Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages, so kann der Bundespräsident auf Vorschlag des Bundeskanzlers binnen einundzwanzig Tagen den Bundestag auflösen."

Verstoss gegen Geist des Grundgesetzes

Kritiker sagten damals, damit sei zumindest gegen den Geist des Grundgesetzes verstossen worden. Schliesslich hatten die Koalitions- Parteien CDU, CSU und FDP eine Mehrheit. Von "Manipulation" war die Rede.

Am 7. Januar 1983 erkannte der damalige Bundespräsident Karl Carstens das Votum des Bundestages in der Vertrauensfrage schliesslich an. Er löste das Parlament auf und setzte eine Bundestags-Neuwahl an.

Doch vier Abgeordnete klagten beim Bundesverfassungsgericht. Dieses urteilte: Eine Bundestags-Auflösung mit Hilfe eines nicht echten Misstrauensvotums ist nur mit einer politischen Ausnahme- Situation zu begründen. Eine solche Situation habe 1982 bestanden.

Nur bei instabiler Lage

Die Auflösung des Bundestages nach einer vom Kanzler verlorenen Vertrauensfrage setze "eine politische Lage der Instabilität" voraus - dass sich der Kanzler der Mehrheit nicht mehr sicher sein kann.

Das Gericht stellte auch klar: Besondere Schwierigkeiten in einer Legislaturperiode oder die Forderung des Kanzlers nach Bestätigung seiner Legitimität rechtfertigten nicht die Auflösung des Bundestags.

(fest/sda)

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