Wie der Markt Qualität bestrafte

publiziert: Montag, 27. Okt 2008 / 10:56 Uhr / aktualisiert: Montag, 27. Okt 2008 / 22:23 Uhr

Wir können davon ausgehen, dass das Jahr 2008 – ähnlich wie 1929 – in den Geschichtsbüchern als das Jahr einer grossen Wirtschafts- und Finanzkatastrophe eingehen wird. Aber während generell ein Konsens darüber herrscht, dass hier der Markt versagt habe, versuchen Neo-Liberale Hardliner bereits wieder die Schuld beim Staat zu suchen, denn Märkte können ja nicht wirklich versagen. So ähnlich lautet zumindest dieses Mantra, das in der Schweiz von der letzten verbleibenden Wochenzeitschrift verkündet wird.

Planwirtschaft kann denn sicher auch nicht das Ziel sein. Aber diesmal hat der Markt aufgrund seiner ureigenen Mechanismen versagt. Dies lässt sich an einem zentralen, auslösenden Element der momentanen Krise sehr schön belegen.

Die strukturierten Schuldpapiere (auch als finanzielle Massenvernichtungswaffen bekannt), welche die Initialzündung der momentanen Katastrophe auslösten, waren während Jahren von den grossen Rating-Agenturen – Moody's, Fitch und Standard & Poor's – mit höchsten Qualitätsratings bewertet worden. AAA, das für «höchste Qualität und kleinsten Risikograd» steht, war da nichts als normal; und dies für Anlagen, die momentan lohnender als Toiletten- denn als Wertpapier zu benutzen wären.

Wie konnte es soweit kommen? Tja, der Markt macht's. Diese Mine der Finanzkrise wurde schon in den siebziger Jahren gelegt und erst mit der zunehmenden Liberalisierung der Märkte «scharf gemacht». So hinterfragte denn niemand die Tatsache, dass seit über 30 Jahren die Herausgeber von Finanz-Instrumenten diejenigen Firmen auswählen und bezahlen, welche diese Papiere bewerten.

Das ist etwa so, als würde bei einem Fussballspiel eine Mannschaft ganz offiziell den Schiedsrichter auswählen, bezahlen und auch rauswerfen, wenn er nicht im eigenen Sinne pfeift. Das wirklich absurde daran wäre, dass die gegnerische Mannschaft – die Investoren – diesen Schiedsrichterentscheiden volles Vertrauen schenken würde. Eine absonderliche Situation - sowohl auf dem fiktiven Fussballfeld wie auch an der echten Börse.

Raymond McDaniel, der CEO von Moody's, erklärte die Angelegenheit bei einer vertraulichen Präsentation vor seinem Verwaltungsrat im Jahr 2007 etwa so: «...der Markt bestraft Qualität... es zeigt sich, dass Qualität erstaunlich wenige Freunde hat: Herausgeber wollen gute Bewertungen; Investoren wollen keine Herabstufungen der Bewertung; kurzsichtige Banker schuften kurzsichtig um die Bewertungsagenturen zu beeinflussen.»

Die Folge war, dass immer komplexere – sprich undurchsichtigere – Finanzinstrumente auf den Markt kamen, über deren Qualität eigentlich nur die Ratingagenturen zuverlässig hätten Auskunft geben können. Doch das war nicht in deren Interesse – Ehrlichkeit und Integrität hätte die Kunden verscheucht. Es wurde jeder Mist bewertet - und meist mit Höchstnoten.

Oder, wie es im April 2007 ein Standard & Poor's Analyst in einer Instant Message an einen Arbeitskollegen ausdrückte: «Sie (die Wertpapiere) könnten von Kühen strukturiert werden und wir würden sie bewerten.» Ein anderer Mitarbeiter derselben Firma schrieb im Jahr zuvor in einer E-Mail: «Hoffen wir, dass wir alle gesund und im Ruhestand sind, wenn dieses Kartenhaus zusammenfällt».

Der Markt braucht Regulierungen und Leitschienen. Zu glauben, dass ein Markt einfach lernen wird, um eine neuerliche Katastrophe zu vermeiden, ist naiv. Wenn gute Qualität bestraft wird, Integrität ein Stolperstein zum Erfolg ist, dann müssen neue Regeln her. Und da der Markt offenbar weder in der Lage noch Willens ist, diese zu implementieren, müssen eben die Staaten her, um solche aufzustellen.

(von Patrik Etschmayer/news.ch)

.
Digitaler Strukturwandel  Nach über 16 Jahren hat sich news.ch entschlossen, den Titel in seiner jetzigen Form einzustellen. Damit endet eine Ära medialer Pionierarbeit. mehr lesen 22
«Hier hätte ich noch eine Resistenz - gern geschehen!» Schematische Darstellung, wie ein Bakerium einen Plasmidring weiter gibt.
«Hier hätte ich noch eine ...
In den USA ist bei einer Frau mit Harnwegsinfektion zum ersten mal ein Bakterium aufgetaucht, das gegen das letzte Reserve-Antibiotikum resistent ist. Wer Angst vor ISIS hat, sollte sich überlegen, ob er seinen Paranoia-Focus nicht neu einstellen will. Denn das hier ist jenseits aller im Alltag sonst verklickerten Gefahren anzusiedeln. mehr lesen 4
Durch ungeschickte Avancen von SBB- und Post-Chefs, droht die Service-Public-Initiative tatsächlich angenommen zu werden. Von bürgerlicher Seite her solle laut einem Geheimplan daher ein volksnaher Alternativvorschlag vor den Wahlen als Killer-Argument gegen die Initiative publik gemacht werden. Dass dieser noch nicht öffentlich ist, liegt mal wieder am Geld. mehr lesen  
Eine renommierte US-Kanzlei stellt einen neuen Anwalt Namens Ross ein. Die Aufgabe: Teil des Insolvenz-Teams zu sein und sich durch Millionen Seiten Unternehmensrecht kämpfen. Und ... mehr lesen  
Urversion von IBM's Supercomputer WATSON: Basis für 'ROSS'... und unsere zukünftigen Regierungen?
Sicherheitskontrolle in US-Airport: 95% Versagen, 100% nervig.
In letzter Zeit wurden aus Terrorangst zwei Flüge in den USA aufgehalten. Dies, weil Passagiere sich vor Mitreisenden wegen deren 'verdächtigen' Verhaltens bedroht fühlten. Die Bedrohungen: Differentialgleichungen und ein ... mehr lesen  
Typisch Schweiz Der Bernina Express Natürlich gibt es schnellere Bahnverbindungen in den Süden, aber wohl ...
Edelsteine und Kristalle haben eine besondere Wirkung auf den Menschen.
Shopping Kristall und Edelstein Boutiquen: Einzigartige Geschenke und faszinierende Steinkraft Sie sind auf der Suche nach einem besonderen Geschenk für einen geliebten Menschen? In einer exklusiven Boutique für ...
Erstaunliche Pfingstrose.
Jürg Zentner gegen den Rest der Welt.
Jürg Zentner
Frauenrechtlerin Ada Wright in London, 1910: Alles könnte anders sein, aber nichts ändert sich.
Regula Stämpfli seziert jeden Mittwoch das politische und gesell- schaftliche Geschehen.
Regula Stämpfli
«Hier hätte ich noch eine Resistenz - gern geschehen!» Schematische Darstellung, wie ein Bakerium einen Plasmidring weiter gibt.
Patrik Etschmayers exklusive Kolumne mit bissiger Note.
Patrik Etschmayers
Obama in Hanoi mit der Präsidentin der Nationalversammlung, Nguyen Thi Kim Ngan auf einer Besichtigungstour: Willkommenes Gegengewicht zu China.
Peter Achten zu aktuellen Geschehnissen in China und Ostasien.
Peter Achten
Recep Tayyp Erdogan: Liefert Anstoss, Strafgesetzbücher zu entschlacken.
Skeptischer Blick auf organisierte und nicht organisierte Mythen.
Freidenker
 
Stellenmarkt.ch
Kreditrechner
Wunschkredit in CHF
wetter.ch
Heute Sa So
Zürich 2°C 16°C wechselnd bewölktleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig freundlich wechselnd bewölkt
Basel 5°C 14°C wolkig, aber kaum Regenleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wechselnd bewölkt bedeckt, wenig Regen
St. Gallen 0°C 13°C freundlichleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig freundlich wechselnd bewölkt
Bern 3°C 13°C wechselnd bewölktleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wechselnd bewölkt bedeckt, wenig Regen
Luzern 3°C 15°C wechselnd bewölktleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig freundlich wechselnd bewölkt
Genf 7°C 13°C wolkig, aber kaum Regenleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wechselnd bewölkt trüb und nass
Lugano 8°C 12°C trüb und nassleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig trüb und nass anhaltender Regen
mehr Wetter von über 8 Millionen Orten