Disney im Kreuzfeuer

publiziert: Montag, 10. Mai 2004 / 13:30 Uhr

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Wenn in dieser Woche Michael Moores neuester Film, Fahrenheit 911, am Filmfestival von Cannes seine Uraufführung hat, steht wahrscheinlich immer noch nicht fest, wer diesen Film in den USA vertreiben wird.

Die Disney Corporation weigert sich, ihre Tochterfirma Miramax diesen Film über die Verstrickungen der US-Politik mit der Bin-Laden-Familie vor dem Hintergrund der Anschläge auf New York und Washington, in die Kinos bringen zu lassen. Die Gründe dafür sind nicht eindeutig.

Disney argumentiert, dass es nicht im Interesse einer Grossfirma sein kann, während eines Wahljahres in ein politisches Kreuzfeuer zu geraten. Auch betont Disney-CEO Michael Eisner, er habe Miramax' Harvey Weinstein schon vor einem Jahr klar gemacht, dass sich Disney gegen einen Vertrieb dieses Filmes sperren werde und es kein Problem sein sollte, einen anderen Vertrieb zu finden.

Michael Moore hingegen unterstellt dem Disney-Boss, Angst davor zu haben, Steuervergünstigungen in Florida, dem Standpunkt von Disney-World, zu verlieren. Zur Erinnerung: Der Gouverneur von Florida ist Jeb Bush, der kleine Bruder des Präsidenten. Der Streit geht also darum, ob eine Privatfirma das Recht hat, den Vertrieb eines Filmes zu verweigern.

Die Antwort darauf ist ohne Zweifel: Ja. Disney wehrte sich vor einigen Jahren schon dagegen, die 'Herr der Ringe'-Trilogie von Miramax produzieren und verfilmen zu lassen. Michael Moores neuen Film zu boykottieren, dürfte fast gleich smart sein.

Ob der Qualitäten von Michael Moores Arbeiten kann man durchaus geteilter Meinung sein. Für die einen handelt es sich bei ihm um die Stimme der Vernunft in einem irren Amerika, für die anderen ist er nichts als ein Agitator und Manipulator, der Tatsachen mit geschickter Filmtechnik verzerrt und verdreht.

Aber eines lässt sich behaupten: Moore macht immer gutes Geld für seine Produzenten. Seine Dokumentarfilme und Fernsehserien werden für minimales Geld produziert und ziehen trotzdem Millionen von Zuschauern in die Kinosäle. Aus kommerzieller Sicht ist es unsinnig, einen solchen Film zu boykottieren. Wenn Disney Miramax nun Quengelei und politisch motiviertes Handeln vorwirft, ist dies nichts als heuchlerisch, denn Miramax wird Millionen verlieren, wenn sie den Film einem anderen Vertrieb abgeben müssen.

Und wer verliert schon gerne Millionen? Miramax wehrt sich verständlicherweise gegen diesen Aderlass. Das Argument, sich schon im letzten Mai gegen den Vertrieb gesperrt zu haben und den momentanen Streit damit herunter zu spielen, ist albern: Miramax hatte damals schon längst das Geld für die Produktion ausgegeben. Ei zurück gab es da nicht mehr.

Vermutlich glaubt Eisner, mit diesem Boykott einige Vorteile verbuchen zu können. Als erstes zeigt er Harvey Weinstein, der seit der Matrix-Trilogie einiges an Statur gewonnen hat, wer der Chef im Haus ist: Eine Kompensation für die Schmach, die Eisner durch die kommende Trennung des Pixar-Studios (Nemo, Toy Story), von Disney erlitten hat.

Politisch positioniert sich Disney nun ganz klar im rechten Lager und lenkt so das konservative Sperrfeuer aus Washington auf Hollywood von sich auf die anderen Studios ab. Da auch in Amerika der Spruch, dass eine Hand die andere wäscht, gilt, dürfte auf der politischen Ebene etwas für den in letzter Zeit recht angeschlagenen Mickey Mouse Konzern abfallen. Doch Eisner geht ein hohes Risiko ein.

Der Film wird - wenn nicht doch Miramax zum Zug kommen sollte - einen anderen Vertrieb finden. Und wehe, der Streifen wird dann ein Erfolg: Selbst konservativen Aktionären geht der Wert des Portfolios näher als politische Empfindlichkeiten. Eisner kann eigentlich nur verlieren... gut so.

(von Patrik Etschmayer/news.ch)

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