Tells globales Luxusprodukt: Schweizer Franken

publiziert: Mittwoch, 21. Jan 2015 / 13:40 Uhr / aktualisiert: Mittwoch, 21. Jan 2015 / 23:29 Uhr
Luxusgut Schweizer Franken: Das Geld für die Reichen!
Luxusgut Schweizer Franken: Das Geld für die Reichen!

«Hurra, die Schweizer kommen!» titelte «Die Welt» mit ironischem Unterton am Tag nach dem Raketenstart des Schweizer Frankens. Die Illustration zum Artikel war: «Durch diese Einkaufsgasse wird er kommen. Der Schweizer Nationalheld Wilhelm Tell geht shoppen mit Sohn Walter.»

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Der «Die Welt» fiel die doppelte Ironie nicht auf: Der Schweizer Nationalheld wurde erst, nachdem ihn ein Deutscher dazu gemacht hatte, zur eigentlich historischen Figur. Dieser Vorgang ist dem aktuellen Kurs für den Schweizerfranken übrigens nicht unähnlich. Denn ohne Euro wäre der Schweizer Franken nicht das, was er heute ist... hallo? Was ist er eigentlich?

Alles de luxe: Der Schweizer Franken erinnert an ein Alltagsprodukt, das mit einem bestimmten Narrativ so aufgewertet wird, dass absurde Preise dafür verlangt werden können. Ich warte beispielsweise schon längst auf ein mit Goldblättchen angereichertes Superjoghurt, vielleicht noch mit Champagner gewürzt... dafür würde ich locker 100 Schweizerfranken ausgeben. Ist natürlich nicht ernst gemeint, doch das mit Champagner und Blattgold-Flocken versetzte Brot namens «Royal Bloomer» ist kein Witz und kostet beim Hersteller Robert Didier ungefähr 100 Schweizerfranken (75 Pfund um genau zu sein; dies nur ein Hinweis an alle Mikromanen). Was will ich damit belegen? Das gegenwärtige Leben als Konsum bringt absurde Diskussionen in Medien hervor, die sich unglücklicherweise im realen Alltag manifestieren.

So definiert das Kurserdbeben, ausgelöst durch einen Mann mit sprechendem Namen (über diesen Jordan musst du gehen...) Millionengewinne für Grossspekulanten während Kleinsparer, die ihre Nase auch vergolden wollen, beispielsweise von der Postfinance kalt gestellt werden. Was Devisenhändler tagtäglich machen und die Postfinance auch anbietet, nämlich Währungen umzutauschen, zu verkaufen und zu handeln, darf ein Eurokonten-Inhaber, der dieses nun in Schweizerfranken umtauschen will, nicht. Die «too big to fail»-Mentalität hat sich derart in den neoliberalen Kapitalismus eingefressen, dass sie die Realwirtschaftler wirklich zur lebendigen Münze degradiert, was uns zum helvetischen Einkaufstourismus führt. Der Euroschock oder Frankentop führt bei vielen Schweizern zu einer hektischen Alarmbereitschaft, die sich im unkontrollierten Shoppingwahn und im immerwährenden medialen «geile Nationalbank-Nicken» ausdrückt.

Niemand merkt dabei, dass sich das seit einigen Jahren gut funktionierende Alltagsprodukt «Schweizerfranken» dank FDP- und SVP-Wahlmaskottchen Thomas Jordan (meine unabhängige, freie Interpretation und Wortwahl zur Abhaltung des Nationalbankpräsidenten-Gastvortrags an einer Wahlveranstaltung der SVP und FDP in Horgen am 15.1.2015) zum klassischen Luxusprodukt postindustrieller Märkte entwickelt hat. Der Schweizerfranken wird wie das tägliche Brot von Robert Didier mit Goldblättchen und Champagner durchsetzt, um ziemlich ungeniessbar, dafür aber prestigeträchtig verhökert, ausgestellt, gehortet und fetischisiert zu werden. Mit Schweizerfranken wirklich zu arbeiten wäre ungefähr so, wie wenn man das tägliche Brot nur noch als «Royal Bloomer» zu sich nimmt. Glutenspezialistinnen können mir gerne ein anderes Beispiel als Brot nennen, es geht hier eigentlich nicht um Brot sondern darum, dass man Geld schliesslich nicht fressen kann, es aber immer wieder, wie die Schweizer Nationalbank seit dem 15. Januar 2015, versucht.

Die Lehre der unappetitlichen Luxusprodukte (es gibt tatsächlich Wasser, das in 50 Gramm-Ampullen zu 32 Dollar unter dem Namen «Kona Nigari» verkauft wird) zeigt, dass man davon nie satt wird, dass Luxus indessen für den Kapitalismus lebensnotwendig ist. Insofern hat die Frankenaufwertung durchaus ihren marktkonformen Glaubenssinn - wie denn auch die meisten Kommentare in den Schweizer Medien zeigen. «Luxus muss sein. Wenn die Reichen nicht viel verschwenden, verhungern die Armen» meinte schliesslich schon der französische Philosoph Charles de Montesquieu. Dass es zwar mit der Realität des «Dripping down»-Effekts nicht so weit her ist, stört in jenen Kreisen niemanden.

Am 15. Januar 2015 wurde nicht einfach die Eurokopplung des Schweizerfrankens aufgehoben, sondern der Schweizerfranken mutierte zum «Royal Bloomer» unter den internationalen Währungen. Dies genau zu dem Zeitpunkt, als Oxfam in seiner Studie zur globalen Reichstumverteilung festgestellt hat, dass die 80 reichsten Menschen soviel Vermögen besässen wie die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung zusammengerechnet.

Wahrscheinlich besitzen die Herren nun auch noch ein paar Milliarden Schweizerfranken mehr...Schön für diese 80 Materienseelen ist, dass sich ihr Vermögen zwischen 2009 und 2014 wie von selbst verdoppelt hat, während sich beispielsweise die Tagesansätze für freie Journalistinnen in derselben Zeit halbiert haben. Schön auch zu wissen, dass sich der Einfluss der globalen Finanzeliten auf die Politik massiv verschärft hat. Eine Milliarde wurde allein letztes Jahr für die Lobbyarbeit in Washington und Brüssel ausgegeben. 2014 war auch das Jahr, in dem die nach der Finanzkrise verabredeten, strengeren Bankenregeln (immerhin soviel meinte das Mäuschen als es ins Meer pisste) in den USA nun doch nicht eingeführt werden. Vor diesem Hintergrund wurde der 15. Jänner von Thomas Jordan als Frankenschock vollständig «unabhängig» gewählt... Wer auf die Idee käme, dies hätte wahrscheinlich etwas mit den eidgenössischen Wahlen 2015 zu tun, sollte sich schämen und wirklich nur Smartvote für politische Einschätzungen konsultieren. Die bemitleidenswerten Personen, die so denken, dürfen sich aber gerne auch selber inmitten dieses völlig apolitischen Medien- und Finanzgedöns mit Herrschaftsanspruch als immer stärker vereinsamende Hochbegabte betrauern.

Wollte man philosophisch werden (doch wer will das schon? ist ja «nix neues»), könnte man sagen: Der Franken dient nicht mehr den Menschen als geschmeidiges Alltagsmittel fürs Leben, Arbeiten, Wohnen, Kaufen, sich weiterbilden etc. sondern die Menschen haben dem Franken zu dienen. Franc de luxe sozusagen...

(Regula Stämpfli/news.ch)

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Ich werde nicht klug
aus diesem Artikel. Was will er uns wohl sagen?
Gut, es ist eine Kolumne, die braucht keinen Sinn zu haben!
Was man aber jetzt wieder genussvoll beobachten kann:
Diejenigen, die am lautesten die freie Marktwirtschaft fordern und "Heil Markwirtschaft" rufen, wann immer sich Gelegenheit dazu bietet, auch in Situationen, wo das völlig daneben ist, rufen jetzt den Vater Staat um Hilfe. Alle wollen jetzt unterstützt werden, ums Ländle zu retten. Für die ist der Staat lediglich da, wenn sie ihn brauchen, wenn es um den sozialen Zusammenhalt um die sozialen Einrichtungen geht, dann rufen die immer "Heil Marktwirtschaft" wie ander hirnlose das mit einem etwas anderen Text auch taten.
Mal ganz abgesehen von diesem hirnlosen Treiben, ist das doch am Ende das Gleiche, als wenn die SNB weiterhin den Frankenkurs mit Stützungskäufen stabil halten würde, nur einfach mit anderen Mitteln. Ich sag's ja, diese Clique ist einfach unverfroren und frech und hirnlos.
Was lernen wir daraus? Ich fürchte nichts, vor allem die Genannten lernen daraus nie etwas!
Aber was wäre zu tun, damit der Frauenfelder Händler nicht wieder ausgelacht wird an der Schrauben und Nagelbörse (Eine Schraube ein Dollar, rief man ihm zu und postete beim deutschen Konkurrenten)?
Wir können es drehen wenden, wie auch wollen, die allerbeste Lösung ist, dem Euroraum beizutreten, alles andere ist Wunschdenken und Träumerei. Ich hoffe sehr, dass ich mich irre. Aber ein so kleines Ländli wie wir, kann den Wert seiner Währung nicht mehr allein bestimmen, diese Zeiten sind vorbei. Dazu fehlen uns einfach die Mittel!
Das müssen sogar diejenigen Knallköpfe einsehen, die immer glauben, wir Schweizer könnten die ganze EU kaufen. Der Draghi zeigt uns unsere Grenzen!
Wir können niemanden in die Knie zwingen, was ja auch gegen unsere Interessen wäre, wir müssen zusammenarbeiten, denn wir Europäer sitzen alle im gleichen Boot, niemand schwimmt daneben einfach so daher und kann glauben, er sei schneller als das Boot!
Journalistenlöhne halbiert?
Dem Artikel kann ich soweit zustimmen, allerdings bleibe ich ratlos zurück, wenn ich herausfinden möchte, was denn die SNB hätte anderes tun sollen...

Nun ja, auch Journalisten sind mittlerweile globalisiert worden. Frau kann Kolumnen für die Schweiz schreiben, ohne in einem Land mit Schweizer Preisen zu leben, beispielsweise. Die wenigen Journalisten, die echt noch vor Ort sein müssen in der Schweiz, um aus dem Bundeshaus usw. zu berichten, würden besesr bezahlt, gäbe es kein Überangebot. Doch für Reportagen aus fernen Ländern braucht man nun wirklich keine Schweizer Journalisten mehr. Auch andere können korrekte und saubere Berichte liefern, die sind halt noch zu übersetzen, doch auch dafür gibt's im Internet mittlerweile globalisierte Dienstleister...
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