Markt für Flüchtlinge

publiziert: Mittwoch, 18. Mai 2016 / 11:54 Uhr / aktualisiert: Mittwoch, 18. Mai 2016 / 12:56 Uhr
Flüchtlinge (hier in Mazedonien): Mit Gewinnziel zu verwaltende Konkursmasse oder doch Menschen?
Flüchtlinge (hier in Mazedonien): Mit Gewinnziel zu verwaltende Konkursmasse oder doch Menschen?

Gewinnorientierte Unternehmen wie der ORS machen aus der Flüchtlingshilfe ein Geschäft. Das Rote Kreuz und die Caritas, die gemeinnützig sind und seit Jahren über grosse Erfahrung in der Betreuung von Menschen auf der Flucht haben, werden übergangen. Das ORS - mit dem Branding wie eine Waffenfirma - muss im Geschäft nicht mal den Gewinn des Business mit Flüchtlingen ausweisen, nur den Umsatz.

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Weiterführende Links zur Meldung:

Interview mit Alice Kropf von Thun4Refugees
Die Jungfrauzeitung interviewt Alice Kropf, Stadträtin von Thun und führendes Mitglied von Thun4Refugees.
jungfrauzeitung.ch

Kommentar in Jungfrauzeitung zum Thema
Markus Kestenholz, Redaktor der Jungfrauzeitung, kommentiert die Kommerzialisierung der Asylanten.
jungfrauzeitung.ch

Erstaunlich ist, dass die Leitmedien darüber kaum berichten. Es sind die Lokalzeitungen und die Menschen vor Ort, die die Missstände im gesamten Flüchtlingsbereich öffentlich machen (siehe Link). Gleichzeitig fehlen wichtige historische Bezüge: Sollte man beim Thema «Migration» nicht eigentlich von einer neuen Form von Sklavenmärkten sprechen? Sklavenmärkte, die sich sprachlich - typisch neoliberal und bürokratisch - unter Begriffen wie «Flüchtlingsbetreuung, Beschäftigungsprogramme und Human Resources» verstecken?

Die Privatisierung sämtlicher politischer und gesellschaftlicher Zusammenhänge bringt nicht nur einen Verlust an Menschlichkeit, sondern auch der Sprache, diesen überhaupt zu benennen. Die Ideologie, Menschen wie Vieh, Rohstoff, Mehrwert oder -im Fall von Flüchtlingen-, wie eine Konkursmasse zu behandeln, wird kaum als mächtiges Herrschaftsinstrument entlarvt. Dann reden selbst Menschen, von denen man aufgrund ihrer Sozialisation anderes erwarten würde, in einem kapitalistischen Neusprech, dass es einen nur gruseln kann. Nicht benannt wird auch, dass die Privatisierung auf allen Ebenen global, international und elitetechnisch längst eigene Regeln gebracht hat, während die von derartigen Obrigkeitsgesetzen betroffenen Menschen nach wie vor in nationale, ethnische, rassische Buchhaltungsposten gepresst und je nach Marktlage verschachert werden.

So ist es auch nie Thema, dass sämtliche Hilfsorganisationen ehrenamtlich von Frauen organisiert, geleitet oder gar ins Leben gerufen werden während alle gewinnorientierten (vor allem auch die kulturellen) Institutionen alle von (dafür gut bezahlten) Männern geführt werden. Kein Thema, no? Dabei spiegelt sich entlang der «Professionalisierungsgrenzen» rund um die Flüchtlingspolitik jede Ungerechtigkeit, jedes verfilzte Machtverhältniss wider und ja klar: Die Geschlechterfrage. Doch die Männermedien diskutieren weiterhin fröhlich von Mann zu Mann, es sei denn, mann muss ein weibliches Opfer finden, das der «Angst vor dem schwarzen Mann» Ausdruck gibt. Echt. (Hier eine Entschuldigung an all die zauberhaften menschlichen Ausnahmen von Menschen ohne Menstruationshintergrund,ok?).

Doch glücklicherweise sind die meisten Menschen unendlich viel besser als jeder Bundespolitiker und jeder Journalist, der irgendwas vor sich hinblökt. Gut, dass es beispielsweise Thun4Refugees gibt. Seit Monaten organisierte eine spontan entstandene Bewegung rund um Stadträtin Alice Kropf, Begegnungen, Sport, Bildung und das Zusammenleben mit Flüchtlingen. Alles ehrenamtlich, freiwillig und enorm beeindruckend - auf allen Seiten. In Thun mussten Flüchtlinge seit Monaten im temporären Bundesasylzentrum in Thun untergebracht werden, also was tun? Genau. Sich treffen, gemeinsam handeln statt nur von oben herab quatschen. Die Menschen und die Bewegungen in Thun zeigten, was es heisst, wahre Experten und Experinnen im Menschsein zu sein, nämlich: Indem man selber Mensch ist. So wächst Frieden, Kommunikation und Demokratie - nicht indem man «Flüchtlinge» «professionell» verwaltet. In Thun geschah von Mensch zu Mensch, was Menschen brauchen und können: Bildung, Kultur und einander treffen. Reden, lesen, einfach nicht allein sein, das ermöglicht nicht nur Integration, sondern transformiert Leben.

Thun4Switzerland und klein ist eben «beautiful», doch was macht der Bund? Er verschachert Menschen nach wie vor an eine gewinnorientierte Firma. Menschen mit Traumata, Suchtproblemen, eventuell psychischen Krankheiten, alle verursacht durch Not und Krieg, werden zum Investitions- und Platzierungsposten. Eine Firma, deren Ziel nur die schwarze Null ist, darf also mit Bundesplazet aus der Not der Menschen und dank der aufgepeitschten Kategorien-Medien-Demokratie, Gewinn machen. Igitt. Einmal mehr zeigt sich: Drittmittel, Drittaufträge, Privatisierungen an «big Business» bedeuten in jedem Fall und immer eine Verhunzung des öffentlichen Zusammenlebens.

Öffentliche Gelder für eine Profitfirma im Asyl- und Flüchtingsbereich? Was in aller Welt soll denn das? Gesellschaftliche Probleme zu privatwirtschaftlichen Gewinn zu machen heisst, noch mehr Probleme zu generieren. Die Unterbringung und Betreuung von schwer traumatisierten Menschen in die Hände von Händlern statt von Menschen zu legen, ist widerlich. Es geht um Menschen und nicht um Waren - oder hab ich da vielleicht etwas falsch verstanden?

Deshalb: Statt jedem rassistischen Furz und «Ängsten» oder theoretischen Debatten über «Religion», «Kultur» oder «Herkunftsland» Aufmerksamkeit zu schenken, gilt es, die Erzählungen vor Ort aufzunehmen. Denn eines ist klar: «Die» Schweiz ist als Kategorie immer mieser, miefiger, kleinräumiger, unanständiger als all die Menschen, welche die schönen Naturflecken zwischen den Alpen bewohnen. Also: Reden wir vermehrt über «Thun» statt ZU-REICH!

(Regula Stämpfli/news.ch)

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