2-Grad-Klimaziel wäre erreichbar

publiziert: Mittwoch, 7. Dez 2011 / 09:15 Uhr
Joeri Rogelj ist Doktorand in Klimaphysik an der ETH Zürich. Er ist einer der Hauptautoren des UNEP-Berichts und wird auf der UN-Klimakonferenz in Cancún einen Teil des Berichts vorstellen.
Joeri Rogelj ist Doktorand in Klimaphysik an der ETH Zürich. Er ist einer der Hauptautoren des UNEP-Berichts und wird auf der UN-Klimakonferenz in Cancún einen Teil des Berichts vorstellen.

Vor einem Jahr publizierte das United Nations Environment Programme (UNEP) den «Emissions Gap Report» (siehe weiterführende Links). Der Bericht zeigte, dass die von den verschiedenen Ländern angestrebten Emissionssenkungen insgesamt nicht genügen, um die Welt bis 2020 auf einen Pfad Richtung 2°C-Ziel zu bringen:

2 Meldungen im Zusammenhang
Weiterführende Links zur Meldung:

Blogbeitrag vom 02.12.2010
Lücke zwischen Emissions- und Klimazielen von Joeri Rogelj
www.klimablog.ethz

«Bridging the Emissions Gap»
Folgebericht«Bridging the Emissions Gap» des UNEP (Pdf)
www.unep.org/bridging

«Emission Gap Report»
«Emission Gap Report» des UNEP (Pdf)
www.unep.org/emission

Es besteht eine Lücke («Gap») zu den dafür eigentlich notwendigen Emissionssenkungen (siehe weiterführende Links). Vorschläge zur Schliessung der Lücke liefert der soeben erschiene Folgebericht «Bridging the Emissions Gap» (siehe weiterführende Links).

Der letztjährige «Emissions Gap Report» zeigte, dass eine grosse Lücke besteht zwischen den Emissionen, die bis 2020 zu erwarten sind gemäss den unterschiedlichen Vorschlägen der Länder, und dem, was laut Wissenschaft ein vernünftiger Pfad hin zum langfristigen 2°C-Ziel wäre. Eine Krankheit mit einer robusten Methodik zu diagnostizieren, ist äusserst wichtig, dann aber ein Heilmittel vorzuschlagen, ist umso wichtiger. In diesem Sinne liefert UNEP nun den Folgebericht «Bridging the Emissions Gap», der aufzeigt, wie die oben erwähnte Lücke geschlossen werden kann. Der Bericht wurde am 23. November der Presse vorgestellt und wird am 6. Dezember offiziell den Delegierten am Weltklimagipfel in Durban übergeben.

Eine erste Erkenntnis des Folgeberichts ist, dass sich die Lücke zwischen den versprochenen und den notwendigen Emissionsreduktionen grundsätzlich nicht geändert hat seit letztem Jahr. Die neuen Zahlen zeigen zwar eine Vergrösserung der Lücke um 2 Gigatonnen CO₂-Äquivalent. Diese Änderung basiert jedoch nicht auf einer Verschlechterung der Situation, sondern auf präzisierten Analysemethoden der unterschiedlichen Forschungsgruppen. Aktuell wird die bestehende Lücke von UNEP auf 11 Gigatonnen CO₂-Äquivalent geschätzt; unter Einbezug der Unsicherheiten ist der wahrscheinliche Bereich 7 bis 16 Gigatonnen CO₂-Äquivalent.

Verschiedene Lösungsvorschläge wären sofort umsetzbar

Zur Schliessung dieser Lücke liefert der UNEP-Bericht viele Lösungsvorschläge. Einige sind schon letztes Jahr bekannt gewesen und wären sofort umsetzbar, falls es die Delegierten am Weltklimagipfel in Durban schaffen, die dafür nötigen Entscheidungen zu treffen. Um zwei bis drei Gigatonnen CO₂-Äquivalent liesse sich die Lücke beispielsweise verkleinern, falls die Länder entschieden, ihre ambitionierteren, momentan aber an Bedingungen geknüpften Emissionsreduktionsziele anzustreben, statt ihren derzeitigen, schwächeren Vorschlägen zu folgen.

Der UNEP-Bericht liefert weitere, neue Lösungsvorschläge. So haben die UNEP-Wissenschaftler mögliche Szenarien anhand neun verschiedener Modelle («integrated assessment models») geprüft und herausgefunden, dass es technologisch und wirtschaftlich machbar ist, die globalen Emissionen herunter zu bringen auf ein Niveau, welches vereinbar ist mit dem 2°C-Ziel. Vor allem durch eine strategische Intervention im Energiesektor ist viel möglich. Dies ist nicht weiter überraschend, da in den Abendländern die Emissionen des Energiesektors bis zu 80 Prozent der Gesamtemissionen ausmachen. Die verwendeten Modelle zeigen, dass dank einer gezielten Verbesserung der Energieeffizienz die Primärenergienachfrage bis 2020 im Durchschnitt um 10 Prozent sinken könnte. Es wäre auch möglich, den Anteil der Energie aus nicht-fossilen Brennstoffen um 50 Prozent zu erhöhen gegenüber 2005, oder den Anteil der erneuerbaren Energien, die keine Biomasse verwenden, zu vervierfachen. In den unterschiedlichen Szenarien wird nicht das maximal mögliche Potenzial an Emissionsreduktionen ausgeschöpft, sondern jedes Szenario zeigt einen unterschiedlichen Mix von Massnahmen. Dies zeigt, dass es viele mögliche Pfade gibt, mit denen das 2°C-Ziel erreicht werden könnte.

2°C-Ziel wäre mit mässigem finanziellen Aufwand erreichbar

Nebst globalen und sektorübergreifenden Ansätzen schlagen die UNEP-Autoren auch Lösungen auf sektoraler Ebene vor: Effizienz-Massnahmen im Elektrizitäts-, Industrie- und Transportsektor, Massnahmen bei den Gebäuden, in der Landwirtschaft und im Abfallsektor sowie gezieltes Management im Waldsektor inklusive dem Stoppen der Entwaldung. Mit diesen Massnahmen könnten insgesamt um die 16 Gigatonnen CO₂-Äquivalent pro Jahr einspart werden. Das wäre mehr als genug, um die Treibhausgasemissionen auf einen 2°C-Pfad herunter zu bringen.

Wichtig ist nicht nur zu wissen, dass es möglich ist, das 2°C-Ziel zu erreichen, sondern auch, wie hohe Kosten dies verursachen würde. Tatsächlich zeigen die Modelle, dass die vorgeschlagenen Massnahmen mit mässigem finanziellem Aufwand umgesetzt werden könnten. Global gesehen liegt der Preis bei 25 bis 50 CHF pro Tonne CO₂-Äquivalent. Betrachtet man den Preis nur pro Sektor, liegt er in einigen Sektoren bei 45 bis 90 CHF pro Tonne CO₂-Äquivalent. Zum Vergleich: Der Kohlenstoffpreis in der Europäischen Union ist heutzutage um 10 CHF. Die Brennstoffsteuer ist deutlich höher und beträgt umgerechnet ungefähr 500 CHF pro Tonne CO₂-Äquivalent.

Der neue UNEP-Bericht schreit also «Yes, we can!», zeigt aber gleichzeitig auf, dass sehr wenig gemacht wird. Vielleicht inspiriert der Bericht Politiker weltweit zu mehr Schritten in Richtung einer Zukunft mit weniger Treibhausgasemissionen. Ob ein erster Schritt in Durban gemacht wird, erfahren wir spätestens am 10. Dezember, wenn die Klimakonferenz zu Ende geht.

(ETH-Doktorand Joeri Rogelj/ETH-Zukunftsblog)

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