Am Markt vorbei

publiziert: Freitag, 10. Sep 2004 / 10:25 Uhr / aktualisiert: Freitag, 10. Sep 2004 / 21:39 Uhr

Die Schweizer Schülerinnen und Schüler lernen am Markt vorbei. Das zeigt eine Studie der Uni Zürich, die ergibt, dass bis zu 65% der Sekundarschüler und 95% der Realschüler -je nach angestrebtem Lehrberuf- nicht den Anforderungen der Lehrfirmen in Deutsch oder Mathematik entsprechen.

Die Zeugnisnoten hätten keine Aussagekraft darüber, was die Schüler könnten. Noch in den Achtziger Jahren machte man sich hier über die USA lustig, wo es möglich war, einen High School Abschluss zu erhalten, ohne richtig lesen und schreiben zu können. Mittlerweile produziert auch das Schweizer Bildungssystem reihenweise funktionelle Analphabeten.

Gründe für die Misere gibt es viele: Keine national standardasierten Tests für den Lernstand, willkürliche Selektion von Schülern für Real- und Sekundarschule, politisch motivierte Lernziele, die am Markt vorbeigehen, Überforderung der Lehrer mit Aufgaben, die eigentlich die Eltern übernehmen sollten.

Jedenfalls scheint der Spruch, 'nicht für die Schule, fürs Leben lernen wir!' momentan nur Makulatur zu sein.

Das Resultat davon sind Scharen von jungen Leuten, die nach neun Schuljahren ohne Kompetenz, mit schlechter Bildung und lausigen Zukunftschancen auf den Arbeitsmarkt kommen. Und der ist ein Käufermarkt: Die Firmen bestimmen relativ frei, wen sie zu welchen Bedingungen nehmen wollen und können.

Wer nicht genommen wird, darf sich auf ein Leben gefasst machen, das die Eckpunkte Sozialhilfe, Gelegenheitsjobs, Kleinkriminalität aus Not und steten sozialen Abstieg beinhaltet.

Da helfen auch die besten Vorsätze nichts mehr. Wer von der Gesellschaft, die immer mehr fordert, nicht das Rüstzeug bekommt, um in ihr zu bestehen, wird fast unweigerlich an deren Rand enden.

Menschlich gesehen sind dies Tausende von Tragödien, die mit dem Schulabschluss in den zweiten Akt gehen. Gesellschaftlich gesehen ist dies eine finanzielle und soziale Zeitbombe.

Der Ausdruck Lumpenproletariat, der es ja sogar bis ins Englische schaffte, taucht da wieder am Horizont auf. Eine ganze Gesellschaftsschicht von Mittellosen, ohne Bildung, ohne Hoffnung aber mit grossem Zorn auf jene, die etwas haben.

Wir hatten dies alles schon einmal. Das Mittel gegen diese Verelendung war die Bildung und die Gelegenheit, durch Bildung dieser Sackgasse zu entkommen. Das nun genau dieses Zaubermittel versagt, ist tragisch, ja fatal.

Die schweizerische Bildungslandschaft muss dringend reformiert werden. Auch wenn es unmenschlich tönt: Bildung ist ein wertvolles Produkt, das produziert und auf seine Qualität geprüft werden muss. Ohne die Möglichkeit, das Produzierte objektiv und unabhängig prüfen lassen zu können, stehen Lehrer und Schüler in einem Vakuum, sind von allen Seiten angreif- und anzweifelbar und verlieren am Ende die Orientierung.

Für die Lehrer ist die Situation mindestens frustrierend, für die Schüler möglicherweise verhängnisvoll. Ein unhaltbarer Zustand, mit möglicherweise katastrophalen Folgen. Doch stattdessen beschäftigt sich die Schweiz mit Lächerlichkeiten wie der Poststelleninitiative.

Es wird Zeit, dass unser Land eine Lektion in Verhältnismässigkeit bekommt, so dass wir uns wieder auf die wichtigen Dinge besinnen. Einigen Politikern würden da Nachhilfestunden nicht schaden.

(von Patrik Etschmayer/news.ch)

.
Digitaler Strukturwandel  Nach über 16 Jahren hat sich news.ch entschlossen, den Titel in seiner jetzigen Form einzustellen. Damit endet eine Ära medialer Pionierarbeit. mehr lesen 22
«Hier hätte ich noch eine Resistenz - gern geschehen!» Schematische Darstellung, wie ein Bakerium einen Plasmidring weiter gibt.
«Hier hätte ich noch eine ...
In den USA ist bei einer Frau mit Harnwegsinfektion zum ersten mal ein Bakterium aufgetaucht, das gegen das letzte Reserve-Antibiotikum resistent ist. Wer Angst vor ISIS hat, sollte sich überlegen, ob er seinen Paranoia-Focus nicht neu einstellen will. Denn das hier ist jenseits aller im Alltag sonst verklickerten Gefahren anzusiedeln. mehr lesen 4
Durch ungeschickte Avancen von SBB- und Post-Chefs, droht die Service-Public-Initiative tatsächlich angenommen zu werden. Von bürgerlicher Seite her solle laut einem Geheimplan daher ein volksnaher ... mehr lesen
Künftig mindestens 500'000.-- und die ganze Schweiz inklusive: SwissPass, der schon bald mal GACH heissen könnte.
Eine renommierte US-Kanzlei stellt einen neuen Anwalt Namens Ross ein. Die Aufgabe: Teil des Insolvenz-Teams zu sein und sich durch Millionen Seiten Unternehmensrecht kämpfen. Und nein, ROSS ist kein armes Schwein, sondern ein Computerprogramm. mehr lesen  
Sicherheitskontrolle in US-Airport: 95% Versagen, 100% nervig.
In letzter Zeit wurden aus Terrorangst zwei Flüge in den USA aufgehalten. Dies, weil Passagiere sich vor Mitreisenden wegen deren 'verdächtigen' Verhaltens bedroht fühlten. Die Bedrohungen: Differentialgleichungen und ein ... mehr lesen  
Typisch Schweiz Der Bernina Express Natürlich gibt es schnellere Bahnverbindungen in den Süden, aber wohl ...
Edelsteine und Kristalle haben eine besondere Wirkung auf den Menschen.
Shopping Kristall und Edelstein Boutiquen: Einzigartige Geschenke und faszinierende Steinkraft Sie sind auf der Suche nach einem besonderen Geschenk für einen geliebten Menschen? In einer exklusiven Boutique für ...
Erstaunliche Pfingstrose.
Jürg Zentner gegen den Rest der Welt.
Jürg Zentner
Frauenrechtlerin Ada Wright in London, 1910: Alles könnte anders sein, aber nichts ändert sich.
Regula Stämpfli seziert jeden Mittwoch das politische und gesell- schaftliche Geschehen.
Regula Stämpfli
«Hier hätte ich noch eine Resistenz - gern geschehen!» Schematische Darstellung, wie ein Bakerium einen Plasmidring weiter gibt.
Patrik Etschmayers exklusive Kolumne mit bissiger Note.
Patrik Etschmayers
Obama in Hanoi mit der Präsidentin der Nationalversammlung, Nguyen Thi Kim Ngan auf einer Besichtigungstour: Willkommenes Gegengewicht zu China.
Peter Achten zu aktuellen Geschehnissen in China und Ostasien.
Peter Achten
Recep Tayyp Erdogan: Liefert Anstoss, Strafgesetzbücher zu entschlacken.
Skeptischer Blick auf organisierte und nicht organisierte Mythen.
Freidenker
 
Stellenmarkt.ch
Kreditrechner
Wunschkredit in CHF
wetter.ch
Heute Mi Do
Zürich 9°C 25°C sonnigleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig freundlich bedeckt mit Gewittern
Basel 9°C 25°C freundlichleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig freundlich trüb und nass
St. Gallen 8°C 22°C sonnigleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wolkig, aber kaum Regen gewitterhaft
Bern 7°C 23°C freundlichleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig freundlich trüb und nass
Luzern 9°C 24°C freundlichleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig freundlich trüb und nass
Genf 10°C 21°C freundlichleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wechselnd bewölkt trüb und nass
Lugano 12°C 23°C wechselnd bewölkt, Regenleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wechselnd bewölkt, Regen bedeckt mit Gewittern
mehr Wetter von über 8 Millionen Orten