Vernichtungskrieg in Beslan

publiziert: Montag, 6. Sep 2004 / 11:30 Uhr / aktualisiert: Montag, 6. Sep 2004 / 14:32 Uhr

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Terror hat Russland im Würgegriff. In den letzten Monaten wurde das Land in beunruhigender Regelmässigkeit von Terrorangriffen erschüttert. Anschläge auf Busse, U-Bahnen und Flugzeuge fanden am Wochenende einen vorläufigen, spektakulären Höhepunkt.

Die Schulbesetzung von Beslan erschüttert und verstört. Entschuldigen oder rechtfertigen lassen sich solche Kindermorde nicht.

Aber erklären lassen sie sich, wie alles, was Menschen machen.

Es handelt sich hier um die Tat von Menschen, denen ihr eigenes Schicksal gleichgültig ist. Keiner der Geiselnehmer konnte damit rechnen, lebendig davon zu kommen.

Die Gruppe hatte sich trotzdem monatelang auf die Geiselnahme vorbereitet und – offenbar während einer Renovation des Schulhauses – ein Waffen- und Materiallager unter dem Holzboden der Schulbibliothek angelegt.

Sie hatten intime Kenntnis der räumlichen Verhältnisse der Schule, was es ihnen ermöglichte, ideale Scharfschützenpositionen zu beziehen und Fallen für Angreifer zu legen. Es ist nicht abwegig zu glauben, dass irgendwo ein 1:1 Modell der Schule steht, wo sie sich auf ihren spektakulären Tod vorbereitet haben.

Sie waren auf die Taktik der russischen Anti-Terror-Einheiten vorbereitet, trugen Gas-Masken, Nato-Tarnanzüge und brachten sogar gut trainierte Wachhunde mit.

Es gelang den etwas mehr als 30 Angreifern so, Hunderte von Polizisten und Anti-Terror-Truppen während 10 Stunden abzuwehren, bis sie zum grössten Teil getötet wurden.

Das Resultat: Weit über dreihundert, vielleicht sogar 500 Opfer und eine geschockte Nation.

In diesem Sinn haben die Terroristen, die dem Kommando des Extremistenführers Shamil Basayev zugeordnet werden, ein Ziel erreicht: Russland weiter zu verunsichern. Für sie war der Tod – weder der eigene, noch jener der unschuldigen Schüler, Eltern und Lehrer – nicht sinnlos.

Woher kommt also die Motivation mit solchem Terror Leben zu nehmen und Schrecken zu verbreiten. Das Fussvolk, das mordet und getötet wird, dürfte zweierlei Motivation haben: Einerseits eine islamistisch-religiöse: Die Aussicht auf den Märtyrertod mit den ganzen damit verbundenen Versprechen ist scheint eine starke Anziehung aus zu üben.

Doch vermutlich ist die Verzweiflung und der Hass vieler Tschetschenen auf die Besatzungsmacht so gross, dass der eigene Tod bei der Vernichtung des Gegners einem Weiterleben unter dessen Regime vorzuziehen ist.

Man darf nicht vergessen, dass in den letzten 10 Jahren nach einigen Schätzungen etwa 200 000 Tschetschenen durch die russische Intervention umgekommen sind.

Halbieren wir diese Zahl vorsichtshalber und gehen davon aus, dass – in einer Gegend, wo Grossfamilien noch die Norm sind – jeder Zehnte dieser Toten einen Bruder, eine Schwester oder ein Kind hatte, dass sich in seinem Hass dem Terror zugewendet hat, sehen wir eine 10 000 Personen zählende Armee, die mit Freude ihr Leben gibt, um jenes möglichst vieler Russen zu vernichten.

Hemmungen gibt es dabei nicht mehr, denn der Gegner wird entmenschlicht und darf darum wie ein Tier geschlachtet werden, egal ob es sich um Männer, Frauen oder gar Kinder handelt.

Es braucht keine Grossen prophetischen Fähigkeiten um sagen zu können, dass die Anschläge und Morde in Russland anhalten werden. Zu hoffen, dass diese Schule ein grausamer Höhepunkt gewesen sein könnte, ist naiv.

Es handelt sich um einen Vernichtungskrieg. Hoffnung hat darin leider nichts verloren – die Frage ist nur, wann und wo der Schrecken wieder zuschlägt.

(von Patrik Etschmayer/news.ch)

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