Der neue Hit: Kapitalismuskritik

publiziert: Donnerstag, 5. Mai 2005 / 11:05 Uhr / aktualisiert: Freitag, 6. Mai 2005 / 11:21 Uhr

SPD-Chef Franz Müntefering hat einen neuen, alten Feind entdeckt: den 'Kapitalisten'. 'Kapitalismuskritik' heisst das Schlagwort. Und es ist nur eine Frage der Zeit, bis dieses Thema auch in der Schweiz in aller Breite diskutiert wird.

Denn es ist ein Thema für Schaumschläger und Nebelwerfer. Dass ausgerechnet in Deutschland diese 'Grundsatzdiskussion' vom Chef der grossen Regierungspartei angerissen wurde, ist kein Zufall. Denn unterdessen – immerhin ist Schröder seit sieben Jahren an der Macht – muss sich die SPD fragen lassen, was denn schief gegangen ist: Die Wirtschaft will immer noch nicht wachsen, die Arbeitslosenheere hingegen schon.

In solchen Momenten ist ein Feindbild immer gut. In der Psychologie nennt man dies Projektion – so kann man sich in der Illusion wiegen, dass die Bösen die anderen sind.

Der 'Heuschrecken'-Vergleich, der momentan so hohe Wellen schlägt, ist bezeichnend dafür. Natürlich – oder hoffentlich – wollte Müntefering damit keine Assoziationen an die Stürmer-Diktion der NS-Propaganda wecken. Aber er tat es trotzdem.

Auch wenn nun betont wird, dass er nur ganz wenige, schlimme Kapitalisten gemeint hat, so ist eine solche Ausdrucksweise verachtenswert. Wer politischen Diskurs führt, soll sich darauf beschränken, konkrete Vorgehensweisen zu kritisieren. Ein Angriff auf Personen und Personengruppen hingegen ist problematisch und gefährlich. Am Anfang mögen Firmenraider damit gemeint sein, bald danach sind es schon alle Kapitalgesellschaften und am Schluss muss jeder Unternehmer, der Gewinn machen will, damit rechnen, mit Ungeziefer gleichgesetzt zu werden.

Da helfen dann auch leise nachgeschobene Relativierungen und Präzisierungen nicht mehr viel. Der Feind ist definiert und so kann man es sich erlauben, nicht mehr vor der eigenen Türe zu kehren. Denn der deutsche Reformstau, der das ganze Land seit Jahren lähmt, ist sicher nicht das Werk der Turbo-Kapitalisten.

In der Schweiz dürfte die Diskussion etwas anders geführt werden. Aber man kann davon ausgehen, dass bei uns der berühmt-berüchtigte Service Public wieder in die Runde geworfen wird, dass man diese Dienste am Volk nicht den Kapitalisten zum Frass vorwerfen dürfe. Und wie immer werden mit Sicherheit Schritte gefordert, um eine sozialere und gerechtere Schweiz wieder erstehen zu lassen.

Eine Schweiz, die eigentlich immer nur in den Köpfen existierte. Denn die Schweiz von damals war keineswegs gratis: Telefongespräche waren teuer und subventionierten die Poststellen. Milch und Butter kosteten noch mehr als heute. Frauen arbeiteten nur selten und schönten mit ihrem Hausfrauendasein die Arbeitslosenstatistik, während 45-Stunden-Wochen das höchste der Arbeitszeitgefühle waren. Das Militär konnte Steuergelder nach Belieben aus dem Fenster schmeissen. Kurz und gut: So toll war die Schweiz 1975 sicher nicht.

Dass es unter den Kapitalisten auch verantwortungslose Menschen gibt, ist klar. Die gibt es überall. Doch der Staat hat nicht die Aufgabe, diese zu verurteilen, wenn Rechtsbruch vorliegt. Er sollte hingegen die Möglichkeiten ausnützen, mit Gesetzen und anderen Rahmenbedingungen nachhaltiges und Gewinn bringendes Wirtschaften zu ermöglichen. Dies lässt sich am besten mit kalter, auf konkrete Ziele ausgerichteter Logik erreichen. Denn nur wer etwas für seine Arbeit, sein Risiko und sein Kapital zurückbekommt, wird in Firmen investieren und Arbeitsplätze schaffen.

Demagogentum, Hassrhetorik und Verklärung der Vergangenheit hingegen halten nur davon ab, das zu tun, was richtig ist, auch wenn es sich im Moment gut anfühlen sollte.

(von Patrik Etschmayer/news.ch)

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