Erstarren in Teheran

publiziert: Montag, 15. Jun 2009 / 10:47 Uhr / aktualisiert: Montag, 15. Jun 2009 / 11:41 Uhr

9 Meldungen im Zusammenhang
Die Proteste im Iran nach den Wahlen vom Wochenende sind gewalttätig und können unmöglich vor dem Ausland verborgen werden, auch wenn das iranische Regime alles daran setzt. Ahmadinedschad kann da grinsen und den Sieg beanspruchen, so lange er will - mit diesen Vorkommnissen hat er bei vielen westlichen Regierungen, die bisher eine vorsichtige Annäherung gesucht haben, weiteren Kredit verspielt. Seine Argumentation, dass es Wahlverlierer seien, die sich weigern, ein gültiges Wahlergebnis anzuerkennen, verfängt auch nicht. Zwar wird berichtet, dass es bei der Wahl zu keinen auffälligen Unregelmässigkeiten gekommen sei. Doch die braucht es gar nicht, um im Iran eine Wahl zu fälschen.

Warum dies so ist, muss kurz das Wahlprozedere in dieser islamischen «Republik» betrachtet werden. Im Iran gibt es kein Wahlregister. Wählen kann, wer ein «Geburts-Zertifikat» (GZ), das ähnlich wie ein Pass aussieht, sein eigen nennt. Dieses wird nach der Stimmabgabe abgestempelt. Wer nun behauptet, sein GZ verloren zu haben, bekommt ein neues ausgestellt und kann so zweimal wählen gehen, da den Wählern kein bestimmter Wahlbezirk zugeteilt wird. Es wurden die GZ's armer Leute auch schon von der Regierung nahestehenden Wohltätigkeitsorganisationen «gemietet» um mit diesen den Wahlausgang zu beeinflussen. Kommt dazu, dass die GZ von gestorbenen nicht immer entwertet werden - es könnten Millionen von «Geisterstimmen» abgegeben worden sein.

Da der Name des ausgesuchten Kandidaten in die Wahlliste eingetragen werden muss, haben die 20% Analphabeten ein Problem, selbst zu stimmen. Ihnen wird durch Freiwillige in den Wahllokalen, die sich meist aus der islamistischen Studentenbewegung der Basij rekrutieren und kaum neutral in ihrer Hilfestellung sein dürften, «geholfen».

Tönt schlimm? Es kommt noch dicker: Bei den Wahllokalen werden nach dem Ende der Wahl die Stimmen gezählt und in Gegenwart von Vertretern der Kandidaten und des Innenministeriums in das «Formular 22» eingetragen. Dieses Formular ist allerdings geheim, die Resultate der einzelnen Wahllokale werden nicht veröffentlicht, sondern erst im Innenministerium für die verschiedenen Provinzen auf dem «Formular 28» zusammengefasst und dann bekannt gegeben. Da das Quellmaterial aber geheim ist, lässt sich unmöglich sagen, ob diese Zahlen in irgend einer Weise den wirklich abgegebenen Stimmen entsprechen.

Zu all diesen Problemen kommen noch weitere dazu, wie mobile Wahllokale, die praktisch unkontrollierbar sind, willkürliches Ungültig-Erklären von Stimmen bestimmter Wahllokale und ähnliche Stunts.

Die iranische Regierung hat demnach die Möglichkeit, den Wahlausgang an diversen Stellen zu beeinflussen, ja, es spricht nichts dagegen, dass das «Formular 28» schon vor den Wahlen ausgefüllt wurde. Auch die angeblich hohe Stimmbeteiligung sagt nichts über die Wahl aus, da gar nicht bekannt ist, wie viele Iraner tatsächlich stimmberechtigt sind, wie viele der abgegebenen Stimmen echt und wie viele von Geisterwählern dank duplizierten GZ's abgegeben wurden.

Der Aufruhr in den Strassen Teherans ist ein Zeichen dafür, dass das Mass, indem sich das Volk selbst zu täuschen bereit ist, nicht mehr mit jenem Mass, in dem das Regime täuscht, mit zu halten vermag.

Das scheinbar allmächtige Regime mit dem «obersten Führer» Ajatollah Ali Chamenei ist in einer Klemme: Der Wunsch nach einer ergebenen Regierung mit Ahmadinedschad als Präsidenten unter sich, der dogmatisch, berechenbar und ergeben seine harte Linie weiter fährt, widerspricht diametral der Notwendigkeit des Wandels in einem Land, dessen Bevölkerung sich dynamisch entwickelt und das Ambitionen hat, endlich nicht mehr Paria der Welt zu sein.

Das Regime wird sich sehr wahrscheinlich halten, aber die Spannungen steigen, die Risse werden grösser, der erzwungene Konsens wird zur gefährlichen Farce. Ein Regime, dass seine Energie grösstenteils darauf verwenden muss, intern nicht zu zerreissen, wird kaum in der Lage sein, aussenpolitisch grosse Schritte zu tun. Der Westen und Barack Obama sollten sich also keine allzu grossen Hoffnungen auf Fortschritte am Persischen Golf machen.

(von Patrik Etschmayer/news.ch)

Kommentieren Sie jetzt diese news.ch - Meldung.
Lesen Sie hier mehr zum Thema
Teheran - Der Iran hat die Botschafter mehrerer europäischer Länder einbestellt. Dabei ... mehr lesen
Mir Hussein Mussawi fordert mehr Redezeit im staatlichen Fernsehsender IRIB.
Teheran - Während der Proteste in Teheran sollen mindestens zwei ... mehr lesen
In Teheran ist es zu den grössten Massenkundgebungen seit 30 Jahren im Iran gekommen.
Der iranische Staatsführer Ali Chamenei macht etwas Druck auf den Wächterrat.
Teheran - Nach der umstrittenen ... mehr lesen
Im Gespräch mit «news.ch» berichtet ... mehr lesen 1
Frauen dürfen im Iran bestimmte Berufe nicht ausüben. So ist etwa der Anwaltsberuf den Frauen im Iran untersagt.
Weitere Artikel im Zusammenhang
Präsident Ahmadinedschad kritisiert die intl. Medien für ihre Berichterstattung. (Archivbild)
Teheran - Der iranische Präsidentschaftsbewerber Mir-Hossein Mussawi hat offiziell die Annullierung der Wahlen gefordert. Er habe einen entsprechenden Antrag beim für die ... mehr lesen
Teheran - Nach der umstrittenen ... mehr lesen 14
Zu Tausenden zogen die Demonstranten in Teheran auf die Strassen.
Bei der Präsidentschaftswahl im Iran setzte sich Mahmud Ahmadinedschad nach offiziellen Angaben durch.
Teheran - Die Hoffnungen im ... mehr lesen 1
.
Digitaler Strukturwandel  Nach über 16 Jahren hat sich news.ch entschlossen, den Titel in seiner jetzigen Form einzustellen. Damit endet eine Ära medialer Pionierarbeit. mehr lesen 22
«Hier hätte ich noch eine Resistenz - gern geschehen!» Schematische Darstellung, wie ein Bakerium einen Plasmidring weiter gibt.
«Hier hätte ich noch eine ...
In den USA ist bei einer Frau mit Harnwegsinfektion zum ersten mal ein Bakterium aufgetaucht, das gegen das letzte Reserve-Antibiotikum resistent ist. Wer Angst vor ISIS hat, sollte sich überlegen, ob er seinen Paranoia-Focus nicht neu einstellen will. Denn das hier ist jenseits aller im Alltag sonst verklickerten Gefahren anzusiedeln. mehr lesen 4
Durch ungeschickte Avancen von SBB- und Post-Chefs, droht die Service-Public-Initiative tatsächlich angenommen zu werden. Von bürgerlicher Seite her solle ... mehr lesen  
Künftig mindestens 500'000.-- und die ganze Schweiz inklusive: SwissPass, der schon bald mal GACH heissen könnte.
Urversion von IBM's Supercomputer WATSON: Basis für 'ROSS'... und unsere zukünftigen Regierungen?
Eine renommierte US-Kanzlei stellt einen neuen Anwalt Namens Ross ein. Die Aufgabe: Teil des Insolvenz-Teams zu sein und sich durch Millionen Seiten Unternehmensrecht kämpfen. Und nein, ROSS ist kein armes Schwein, sondern ein ... mehr lesen  
In letzter Zeit wurden aus Terrorangst zwei Flüge in den USA aufgehalten. Dies, weil Passagiere sich vor Mitreisenden wegen deren 'verdächtigen' Verhaltens bedroht fühlten. ... mehr lesen  
Sicherheitskontrolle in US-Airport: 95% Versagen, 100% nervig.
Typisch Schweiz Der Bernina Express Natürlich gibt es schnellere Bahnverbindungen in den Süden, aber wohl ...
Edelsteine und Kristalle haben eine besondere Wirkung auf den Menschen.
Shopping Kristall und Edelstein Boutiquen: Einzigartige Geschenke und faszinierende Steinkraft Sie sind auf der Suche nach einem besonderen Geschenk für einen geliebten Menschen? In einer exklusiven Boutique für ...
Erstaunliche Pfingstrose.
Jürg Zentner gegen den Rest der Welt.
Jürg Zentner
Frauenrechtlerin Ada Wright in London, 1910: Alles könnte anders sein, aber nichts ändert sich.
Regula Stämpfli seziert jeden Mittwoch das politische und gesell- schaftliche Geschehen.
Regula Stämpfli
«Hier hätte ich noch eine Resistenz - gern geschehen!» Schematische Darstellung, wie ein Bakerium einen Plasmidring weiter gibt.
Patrik Etschmayers exklusive Kolumne mit bissiger Note.
Patrik Etschmayers
Obama in Hanoi mit der Präsidentin der Nationalversammlung, Nguyen Thi Kim Ngan auf einer Besichtigungstour: Willkommenes Gegengewicht zu China.
Peter Achten zu aktuellen Geschehnissen in China und Ostasien.
Peter Achten
Recep Tayyp Erdogan: Liefert Anstoss, Strafgesetzbücher zu entschlacken.
Skeptischer Blick auf organisierte und nicht organisierte Mythen.
Freidenker
 
Stellenmarkt.ch
Kreditrechner
Wunschkredit in CHF
wetter.ch
Heute Mo Di
Zürich 9°C 17°C wechselnd bewölktleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig freundlich freundlich
Basel 10°C 14°C bedeckt, wenig Regenleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wolkig, aber kaum Regen freundlich
St. Gallen 13°C 17°C wechselnd bewölktleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig freundlich freundlich
Bern 7°C 13°C bedeckt, wenig Regenleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wechselnd bewölkt freundlich
Luzern 10°C 16°C wechselnd bewölktleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig freundlich freundlich
Genf 12°C 12°C trüb und nassleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig trüb und nass wechselnd bewölkt
Lugano 9°C 14°C trüb und nassleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wolkig, aber kaum Regen wolkig, aber kaum Regen
mehr Wetter von über 8 Millionen Orten