Cameron wirbt nach Gipfel-«Deal» für britischen Verbleib in EU
«Brexit» vorläufig kein Thema mehr
publiziert: Samstag, 20. Feb 2016 / 09:51 Uhr / aktualisiert: Samstag, 20. Feb 2016 / 10:20 Uhr
Brüssel - Nach stundenlangen Beratungen haben sich der britische Premier David Cameron und die übrigen EU-Staats- und Regierungschefs auf ein Reformpaket geeinigt. Damit soll ein Austritt Grossbritanniens aus der EU verhindert werden.
Der Kompromiss werde von allen EU-Staats- und Regierungschefs getragen, teilte EU-Gipfelchef Donald Tusk am Freitagabend nach einem nervenaufreibenden Verhandlungsmarathon beim EU-Gipfel mit.
Cameron sagte nach den Verhandlungen, er habe für das Vereinigte Königreich einen «Sonderstatus» in der EU herausgeholt. «Grossbritannien wird niemals Teil eines europäischen Superstaates sein und niemals den Euro annehmen.»
Am Samstag will der Premier nun den «Deal» seinem Kabinett vorlegen und anschliessend ein Datum für das «Brexit»-Referendum verkünden. Dieses werde zu «einem einmaligen Moment für eine Generation, das Schicksal unseres Landes zu gestalten», sagte Cameron nach den Marathonverhandlungen.
Er selbst werde dank des erreichten Kompromisses für einen Verbleib des Königreichs in der EU werben. «Ich werde mich mit meinem ganzen Herzen und meiner ganzen Seele einsetzen, um die Briten zu überzeugen, in der reformierten EU zu bleiben», sagte er. Die EU sei nicht perfekt und brauche auch weiterhin Reformen, aber Grossbritannien sei «innerhalb» der EU in der besten Position dafür.
Verhandlungen für Merkel ein «Kraftakt»
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker nannte die Einigung sowohl für das Vereinigte Königreich als auch die anderen 27 EU-Staaten fair. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel bezeichnete die Arbeit daran als «Kraftakt». Manche Kompromisse seien ihr nicht leicht gefallen.
Der am Donnerstagnachmittag begonnene EU-Gipfel war geprägt von zahlreichen Beratungen in kleineren Runden, in denen die Vorbehalte einzelner Mitgliedsländer ausgeräumt wurden.
So sträubten sich die osteuropäischen Staaten gegen zu rigide Bestimmungen bei der Kürzung von Sozialleistungen für EU-Ausländer. Frankreich, Luxemburg und Deutschland wiederum versuchten den Forderungen der britischen Regierung im Bereich der Finanzmarktregulierung und des Verhältnisses zwischen Euro-Zone und Nicht-Euro-Ländern Grenzen zu setzen.
Belgien, in dessen Hauptstadt Brüssel die EU-Institutionen ansässig sind, wollte das Prinzip des immer engeren Zusammenschlusses der EU nicht aufgeben.
Verkompliziert wurden die Verhandlungen zudem durch den Versuch der griechischen Regierung, die Zustimmung zu einem Reformpaket an Garantien in der Flüchtlingskrise zu koppeln. Von Regierungsvertretern in Griechenland hiess es, man wolle eine Zusicherung haben, dass es zu keinen Grenzschliessungen in der EU vor dem nächsten EU-Treffen zur Flüchtlingskrise Anfang März kommt.
«Notbremse» für sieben Jahre
Mit der von der britischen Regierung geforderte «Notbremse» sollen dem Kompromisspapier zufolge EU-Ausländer für vier Jahre von den Sozialleistungen ausgeschlossen werden können. Die «Notbremse selbst» darf für insgesamt sieben Jahre aktiviert werden.
Kindergeldzahlungen für Kinder, die nicht im Vereinigten Königreich leben, sollen umgehend für neue Antragsteller an die Lebenshaltungskosten im Ausland gekoppelt werden. Ab 2020 können andere EU-Staaten diese Regelung übernehmen. «Auch Deutschland kann davon Gebrauch machen, kann ich mir vorstellen», sagte Merkel.
Die Ausnahmeregelung für Grossbritannien von einer Verpflichtung zum immer engeren Zusammenschluss der EU soll in einer EU-Vertragsänderung verankert werden. Ein Datum für solche Vertragsänderungen wird im Text nicht genannt.
Zugleich erhielt Cameron von den anderen Euro-Staaten Zusicherungen, dass Massnahmen des Währungsraumes keine negativen Auswirkungen auf den Finanzplatz London haben sollen.
Schnelle Einigung positiv für die Schweiz
Einer Umfrage des Forschungsinstituts TNS zufolge würden sich bei der Volksabstimmung derzeit 36 Prozent der britischen Bevölkerung für einen Austritt aus der EU entscheiden, 34 Prozent wären dagegen. Sieben Prozent wollen nicht wählen gehen und 23 Prozent haben sich noch nicht entschieden. Der britische Premier hatte im Falle einer Einigung den 23. Juni als Tag für das Referendum ins Auge gefasst.
Für die Schweiz ist es eine gute Nachricht, dass sich die 28 EU-Chefs auf ein Reformpaket geeinigt haben. Denn EU-Vize-Kommissionspräsident Frans Timmermans hatte Bundespräsident Johann Schneider-Ammann zu verstehen gegeben, dass es in der Frage der Zuwanderungsinitiative keine Lösung mit der Schweiz gibt, bevor nicht das Briten-Problem gelöst ist.
Brüssel fürchtete nämlich, dass Zugeständnissen an Bern präjudizierenden Charakter bei Grossbritannien haben könnten. Doch der Schweiz läuft die Zeit davon: Denn die SVP-Initiative muss bis Februar 2017 umgesetzt sein.
Cameron sagte nach den Verhandlungen, er habe für das Vereinigte Königreich einen «Sonderstatus» in der EU herausgeholt. «Grossbritannien wird niemals Teil eines europäischen Superstaates sein und niemals den Euro annehmen.»
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Verhandlungen für Merkel ein «Kraftakt»
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Der am Donnerstagnachmittag begonnene EU-Gipfel war geprägt von zahlreichen Beratungen in kleineren Runden, in denen die Vorbehalte einzelner Mitgliedsländer ausgeräumt wurden.
So sträubten sich die osteuropäischen Staaten gegen zu rigide Bestimmungen bei der Kürzung von Sozialleistungen für EU-Ausländer. Frankreich, Luxemburg und Deutschland wiederum versuchten den Forderungen der britischen Regierung im Bereich der Finanzmarktregulierung und des Verhältnisses zwischen Euro-Zone und Nicht-Euro-Ländern Grenzen zu setzen.
Belgien, in dessen Hauptstadt Brüssel die EU-Institutionen ansässig sind, wollte das Prinzip des immer engeren Zusammenschlusses der EU nicht aufgeben.
Verkompliziert wurden die Verhandlungen zudem durch den Versuch der griechischen Regierung, die Zustimmung zu einem Reformpaket an Garantien in der Flüchtlingskrise zu koppeln. Von Regierungsvertretern in Griechenland hiess es, man wolle eine Zusicherung haben, dass es zu keinen Grenzschliessungen in der EU vor dem nächsten EU-Treffen zur Flüchtlingskrise Anfang März kommt.
«Notbremse» für sieben Jahre
Mit der von der britischen Regierung geforderte «Notbremse» sollen dem Kompromisspapier zufolge EU-Ausländer für vier Jahre von den Sozialleistungen ausgeschlossen werden können. Die «Notbremse selbst» darf für insgesamt sieben Jahre aktiviert werden.
Kindergeldzahlungen für Kinder, die nicht im Vereinigten Königreich leben, sollen umgehend für neue Antragsteller an die Lebenshaltungskosten im Ausland gekoppelt werden. Ab 2020 können andere EU-Staaten diese Regelung übernehmen. «Auch Deutschland kann davon Gebrauch machen, kann ich mir vorstellen», sagte Merkel.
Die Ausnahmeregelung für Grossbritannien von einer Verpflichtung zum immer engeren Zusammenschluss der EU soll in einer EU-Vertragsänderung verankert werden. Ein Datum für solche Vertragsänderungen wird im Text nicht genannt.
Zugleich erhielt Cameron von den anderen Euro-Staaten Zusicherungen, dass Massnahmen des Währungsraumes keine negativen Auswirkungen auf den Finanzplatz London haben sollen.
Schnelle Einigung positiv für die Schweiz
Einer Umfrage des Forschungsinstituts TNS zufolge würden sich bei der Volksabstimmung derzeit 36 Prozent der britischen Bevölkerung für einen Austritt aus der EU entscheiden, 34 Prozent wären dagegen. Sieben Prozent wollen nicht wählen gehen und 23 Prozent haben sich noch nicht entschieden. Der britische Premier hatte im Falle einer Einigung den 23. Juni als Tag für das Referendum ins Auge gefasst.
Für die Schweiz ist es eine gute Nachricht, dass sich die 28 EU-Chefs auf ein Reformpaket geeinigt haben. Denn EU-Vize-Kommissionspräsident Frans Timmermans hatte Bundespräsident Johann Schneider-Ammann zu verstehen gegeben, dass es in der Frage der Zuwanderungsinitiative keine Lösung mit der Schweiz gibt, bevor nicht das Briten-Problem gelöst ist.
Brüssel fürchtete nämlich, dass Zugeständnissen an Bern präjudizierenden Charakter bei Grossbritannien haben könnten. Doch der Schweiz läuft die Zeit davon: Denn die SVP-Initiative muss bis Februar 2017 umgesetzt sein.
(bert/sda)
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