Lockere Hosenladen und digitale Inkompetenz
Der letzte ist Geri Müller, grüner Stadtamann von Baden, kontrovers, polarisierend und scheinbar mit einem sehr lockeren Hosenladen ausgestattet. Er reiht sich in eine lange Reihe von Politikern ein, die nur zum Teil das Glück hatten, nicht im Zeitalter der Handys ihre Eskapaden ausgelebt zu haben.
Sogar wenn sie ihre Ehepartner betrügen sollten, schnurzegal. Ja. Das ist alles Sache von Anwälten und Scheidungsgerichten. Denn das Privatleben lässt nicht auf das politische Gebaren zurück schliessen. Und umgekehrt. Es gab, um ganz tief zu graben, nicht wenige Nazi-Funktionäre, die selbst nach heutigen Standards ein einwandfreies Privatleben führten. SS-Führer Heinrich Himmler? Langweilig und korrekt, Heydrich, der Schlächter von Prag? Musisch, angeblich liebevoller Familienvater und meist gehasster und gefürchteter Mann in Hitlers Elite. Biederkeit auch im Kommunismus: Erich und Margot Honecker liessen Menschen an ihrer Grenze erschiessen, lebten aber in etwa so glamourös und ausschweifend wie Klischee-Reihenhausbesitzer.
Nehmen wir auf der anderen Seite Bill Clinton, einen Hallodri und Frauenhelden der mehr oder weniger den Ausspruch: «It ain't immoral, if it's just oral,» prägte. Zwar wurden seine zwei Amtszeiten von Skandalen geprägt, aber es war auch jene Zeit, in der die USA einen grossen wirtschaftlichen Aufschwung erlebte und die Kluft zwischen Arm und Reich (oder zwischen allen und den Superreichen) zur Abwechslung nicht grösser wurde.
Natürlich sind Politikerskandale eher in Demokratien möglich. Nicht zuletzt, weil es in Diktaturen den Herrschern viel einfacher ist, ein entsprechendes Image aufrecht zu erhalten. Mao Zedong verbreitete das Bild eines disziplinierten, bescheiden Lebenden Revolutionärs, während er sich einen wahren Harem hielt, den er als «junge Revolutionärinnen» tarnte. Dass davon etwas an die damalige Öffentlichkeit dringen würde, war undenkbar.
Doch auch in Demokratien wurden lange Zeit die Ausschweifungen von Politikern geflissentlich Übersehen. Das berühmteste Beispiel ist wohl John F. Kennedy, der 1963 ermordete US-Präsident, der auch heute noch vielen eine Ikone ist und sowohl notorischer Schürzenjäger als auch Medikamentensüchtig war. Zumindest JFK's womanizing war beim Pressecorps in Washington durchaus bekannt, doch darüber zu berichten, war es den Journalisten nicht wert. Doch - egal wie es ihm damals ging - der Präsident hätte bestimmt auch keine Selfies seiner primären Geschlechtsorgane aus dem Oval Office raus verschickt, selbst wenn es damals die Technologie dafür gegeben hätte.
Dass in der Auflistung der unmoralischen und auch biederen Politiker zuvor keine Frau vorkommt möge man mir verzeihen, aber mir fällt keine ein, die sich auf dem Niveau eines Geri Müller oder Anthony Weiner (ein US-Politiker, der auch fast zwanghaft Bilder von seinem Schnäbi verschickte) hinab begeben würde. Politikerinnen beschränken sich meist auf fachliche Fehlentscheidungen, Intrigen, Lügen und Rufmord - Verfehlungen für die ihre männlichen Kollegen in der Regel nichts zu befürchten haben, und die Frauen derzeit wohl nur vorgeworfen werden, weil man von den Mädels absurderweise besseres Verhalten als von den Jungens erwartet. Vor allem hier in der Schweiz, wo es ja immer noch Akzeptabel scheint, in Fernsehdiskussionen über den Nutzen der Einführung des Frauenstimmrechts 1971 zu debattieren.
Doch wir schweifen ab: Sind männliche Politiker also eher Perverslinge und abartig veranlagt als der Bevölkerungsdurchschnitt? Vermutlich nicht. Doch sie sind - vor allem in Demokratien - einerseits öffentlich exponiert und mit hohen Ansprüchen der Wählerschaft, andererseits mit Machtmitteln und Versuchungen, von denen Normalbürger nur träumen können, konfrontiert. So ist die Chance einerseits grösser, dass Dummheiten für die Öffentlichkeit interessant sind und denen von den Medien auch nachgespürt wird und andererseits auch die Versuchung, diese zum Teil mit von Amtes zur Verfügung stehenden Mitteln zu vertuschen, was dann schnell zu sehr problematischen und meist noch schlimmeren Handlungen führen kann.
Die Tatsache, dass «Sexting» unterdessen ein stehender Begriff geworden ist, darf wohl als schlüssiger Hinweis darauf genommen werden, dass solche Dinge nicht nur bei Politikern populär sind. Nein, Geri Müller ist da nicht wirklich ausserhalb dessen, was als in der Normalität angesiedelt gilt.
Doch eben, die Ansprüche an einen Politiker, der schon alleine von der Parteizugehörigkeit her für gewisse soziale, emanzipatorische und moralische Werte einsteht (und diese auch immer wieder kommuniziert), sind höher als die Normalität. Und das Urteil über diese Abweichung von den Ansprüchen der Öffentlichkeit und derer konkreter Erwartungen müsste am Ende (sollten kein Amtsmissbrauch oder andere relevante Vergehen vorliegen, wonach es derzeit nicht aussieht) an der Stimmurne von jenen abgegeben werden, die Müller zuvor in sein Amt gewählt haben.
Wobei den Wählern vielleicht weniger die moralische als eher die intellektuelle Komponente zu hinterfragen empfohlen sei - denn wer es nicht mal schafft, für solche Dinge Snapchat statt Whatsapp zu benutzen (oder dort die Selbstlöschfunktion zu aktivieren), der hat - zumindest bei der jüngeren Generation - ein ernsthaftes digitales Kompetenzproblem.
(Patrik Etschmayer/news.ch)
Als Stadtzürcher war ich immer ein bisschen Stolz auf das breite kulturelle Angebot u.a. auch auf die cineastische Vergangenheit und Gegenwart meiner Heimatstadt (klingende Namen wie das Apollo, Ritz, Metropol und wie Sie alle hiessen und heissen).
Letztes Jahr bin ich einmal in ein Fettnäpfchen getreten als ich zu einer Badenerin meinte Sie gehe ja sicherlich für Ausgang, Kino & Co nach Züri. Darauf erhielt ich eine gehörige Kopfwäsche in welcher ich aufgeklärt wurde, dass Baden - für mich bis dato ein profilloses Industrie-Städtchen welches sich vorallem durch allabendlichen Stau auf der Hochbrücke, ein paar gefundener römischer Tonscherben und den unsympathischen Cedric Wermuth auszeichnete - eines der modernsten Kinos beherberge und abgesehen davon überhaupt kein Anlass bestehe ins versnobbte, arrogante Züri zu gehen. Tja, man lernt nie aus.
Jetzt weiss ich was Sie damit gemeint hat denn diese Tage erlebt man wirklich grosses Kino in Baden.
In der Hauptrolle Geri Müller. Geri als Darth Vader der Neuzeit seine dunkle Seite der Macht auslebend.
Optisch zwar eher die Buckelhexe aus ‚Schneewittchen’. Würde man ihm die Brille ausziehen und ein rotes ..äähmm nein besser ein grünes Kopftuch umbinden - Er gäbe mit seinem fliehenden Kinn, der Hakennase, den schmalen Lippen und den verkniffenen Äuglein eine phänomenale Hexe ab.
Natürlich, für diese Äusserlichkeiten kann er nichts.
Wohl aber dafür, dass er sich in Amtsgebäuden entblösst hat und es als gute Idee befand unten-ohne Fotos dieser Frau zu senden. Fairerweise muss hier erwähnt werden, dass der kleine Draufgänger offenbar vorher gefragt hat („Bereit für Live-Bilder“). Dass die Frau sich daraufhin bedroht fühlte kann man Ihr nicht verdenken. Oder möchten Sie in Ihrem MMS-Posteingang einem halbnackten Geri-Müller mit erigiertem Geschlechtsteil begegnen? Nein, das will sich niemand ernsthaft ausmalen. Der Tatbestand eines schwerwiegenden Verbrechens gegen die Ästhetik dürfte gegeben sein.
Geri Du hast mit dem Schritt auf die Politbühne gewusst, dass zurecht oder zu unrecht ein erhöhter Anspruch an integres Verhalten an Dich gestellt werden wird. Entsprechend Du Dir eben weniger bieten kannst als Otto-Normalbürger.
Die Rechtfertigung dass Du oft bis in die Nacht arbeitest und Arbeits- und Privatzeit verschwimme ruft bei mir und vielen anderen nur ein sehr geringes Mass an Mitleid und hervor. Denn Du wirst dafür schliesslich fürstlich bezahlt mit weit über einer Viertelmillion Franken pro Jahr. Das ist das zwei oder eher dreifache eines normalen Arbeiters. Klar, dass im Gegenzug gewisse Opfer an Zeit und Engagement zu leisten sind.
Die ‚sehr körperliche Begegnung’ anlässlich eines erotischen Filmes im Kino (soll wohl im Klartext heftige Fummlerei heissen ) erinnert an die skurrile Kinoszene in Scorseses ‚Taxi Driver’.
Dann sollst Du der Frau Strichzeichnungen der Marke NakedWoman geschickt haben.
Gruselig....erinnert mich an den angsteinflössenden Psychothriller ‚American Psycho’.
Christian Bale spielt darin einen absoluten Psycho welcher seine Sexual- und Gewaltphantasien in einem Notizbuch mit Strichzeichnungen festhält. (Nicht dass ich Dir solches unterstelle aber die Assoziation war halt gegeben).
Das die ganze Sache eine Eigendynamik annahm welche irgendwann nicht mehr zu stoppen war hört sich plausibel an. Hoffe Du wirst Dich davon erholen.
Zwei Dinge scheinen jedenfalls klar:
1. Geri Müller sollte sich sofort vom Amt und aus der Politik zurückziehen.
Er könnte durch die Schulen unseres Landes tingeln um als lebendes Beispiel aufzuzeigen, welche Schattenseiten und Stolperfallen die schöne neue InstaFaceGoogleTube-Welt birgt.
2. Heute haben sich doch tatsächlich Geri-Fans in Baden versammelt und „Geri bleibt“ skandiert. Sie haben Buttons und Transparente anfertigen lassen um Ihrem digitalen Flitzer Geri die Stange zu halten. Merkwürdig!
Baden sollte seinen bisherigen, hohlen Slogan wohl ergänzen:
Baden ist. bizarr
Baden ist. grosses Kino
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